Das türkische Parlament hat am späten Mittwochabend in erster Lesung ein Ende des Kopftuchverbots an Universitäten beschlossen. 401 Abgeordnete stimmten für die Aufhebung des Verbots, 110 dagegen. Nach der ersten Lesung soll es eine zweite und letzte Lesung am Samstag geben.
Mitglieder der oppositionellen Kemalisten-Partei CHP nannten die vorgesehenen Verfassungsänderungen illegal, weil sie den laizistischen Grundsätzen der Republik widersprächen.
Die islamisch geprägte Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und die nationalistische Partei MHP setzten aber durch, dass der 10. und der 42. Artikel der Verfassung geändert wird.
Mit den Verfassungsänderungen soll klargestellt werden, dass niemand aufgrund seiner Kleidung von der Hochschulbildung ausgeschlossen werden darf. Für Beamtinnen, Schülerinnen und Parlamentarierinnen bleibt das Kopftuchverbot in Kraft.
Das Kopftuch ist seit einem Urteil des Verfassungsgerichts Ende der achtziger Jahre an den Hochschulen verboten; die Verfassungsrichter interpretierten das Kopftuch damals als anti-laizistisches Symbol.
Die CHP will die Parlamentsentscheidung vor dem Verfassungsgericht anfechten. Experten rechnen damit, dass das Gericht die Verfassungsänderung kippen und das Kopftuchverbot damit zementieren wird. Der türkische Kopftuchstreit könnte dann erneut vor dem Straßburger Menschenrechtsgericht landen, das vor vier Jahren das türkische Kopftuchverbot zwar bestätigte, ein solches Verbot aber nicht zwingend vorschrieb.
Politiker von AKP und MHP betonten vor Beginn der Parlamentssitzung, drei von vier türkischen Wählern seien für die Freigabe des Kopftuches an den Unis. Dagegen sagte CHP-Chef Deniz Baykal, bei einer Aufhebung des Kopftuchverbots werde die Türkei ein anderes Land sein - "eine andere Türkei als die, die wir kennen und haben wollen".