Komödie? Tragödie!:Berlusconis sieben Sünden

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Sein Konzern blüht, doch Italien welkt: Berlusconi als Regierungschef - das konnte ja nicht gut gehen.

Stefan Ulrich

Silvio Berlusconi als italienischer Regierungschef - das konnte nicht gut gehen. Denn der kleine Mann mit dem großen Ego hat die Politik nur als Werkzeug betrachtet, um sein Wirtschaftsimperium auszubauen und abzusichern.

Einen Sinn für das Ganze, für Gemeinwohl und Staat, entwickelte er nie. So blieb Berlusconi als Premier, was er immer war: ein gewiefter, tüchtiger, ja charismatischer Geschäftemacher.

Im Kuhhandel mit seinen Koalitionsrivalen konnte er sich fünf Jahre an der Macht halten - ein italienischer Rekord. Doch die Bilanz ist beschämend: Während Berlusconis Konzern erblühte, welkte Italien dahin.

Am Sonntag und Montag hat ein gespaltenes und verunsichertes Land die Wahl. Die Entscheidung sollte leicht fallen. Schließlich beging der Forza-Italia-Führer sieben Sünden, die jede für sich nach Buße schreien.

Kreislauf des Machtmissbrauchs

Das beginnt mit dem "Interessenkonflikt", der tatsächlich ein Interessenskandal ist. Berlusconi als Herrscher über das Privatfernsehen schwang sich zum mächtigsten Mann im Staate auf, ohne von seinem Medienreich zu lassen.

Die Folge war ein Kreislauf des Machtmissbrauchs. Berlusconis Sender pushten den Premier, und der Premier pushte seine Sender. So konnte keine pluralistische TV-Ordnung entstehen. Das ist fatal in einem Land, das sich von der Bar bis zum Bett berieseln lässt und in dem das Studio die Piazza als Diskussionsort abgelöst hat.

Die zweite Sünde betrifft die dritte Gewalt. In jedem anderen westlichen Land wäre ein Mann, gegen den rund ein Dutzend Strafverfahren liefen, als Staatsmann unerträglich.

In Italien aber hat Berlusconi die Justiz für unerträglich erklärt.

Jahrein, jahraus beschimpfte er Richter und Staatsanwälte als "rote Roben", Kommunisten, Umstürzler. Zugleich schlüpften Berlusconis Anwälte in die Rolle von Berlusconi-Abgeordneten, um Gesetze zu schmieden, die Berlusconi vor Strafverfolgung schützten.

Ein schamloser Vorgang.

Die Rechtsverachtung dieser Regierung illustriert auch der Fall Marcello Dell'Utris. Der Berlusconi-Intimus wurde 2004 in erster Instanz wegen Unterstützung der Mafia zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Sein politisches Ende?

Mitnichten. Forza Italia setzte ihn jetzt auf einen sicheren Listenplatz für den Senat.

"Galgenland"

Die dritte Sünde ist eine außenpolitische: Berlusconi löste Italien aus dem Herzen Europas. So ließ der Premier kaum eine Gelegenheit aus, Stimmung zu machen gegen Brüssel, gegen Paris und Berlin, gegen Euro und Stabilitätspakt.

Sein Koalitionsfreund Umberto Bossi beschimpfte die EU sogar einmal als Galgenland. So wurde ein Staat ins Abseits manövriert, der ins Zentrum Europas gehört.

Niemand bedauert das mehr als Oppositionsführer Romano Prodi, der frühere EU-Kommissionspräsident. Doch Opposition ist schwierig in Berlusconistan, sie wird als Feind wahrgenommen. Widerspruch ist für den Premier nicht das Salz in der Suppe der Demokratie, sondern Gift.

Wer gegen ihn opponiert, den prügelt er - vierte Sünde - mit der Kommunismus-Keule. Folgerichtig sagte er jüngst, ein Unternehmer, der Prodi unterstütze, müsse "viele Leichen im Keller" haben; jetzt beschimpfte er die Oppositionsanhänger mit dem vulgären Ausdruck "Coglioni" - was sich zurückhaltend mit Volldeppen übersetzen lässt.

Doch Berlusconi belässt es nicht bei der Delegitimierung der Opposition.

Er stellt, Sünde Nummer fünf, die parlamentarische Demokratie insgesamt in Frage.

Als ein durch Wahlen gesalbter Führer beruft er sich auf das Votum des Volkes und geriert sich als Komplize der Bürger gegen den eigenen Staat.

Die Italiener hätten ihn gewählt, argumentiert er, und damit könnten ihm Justiz und parlamentarische Opposition gestohlen bleiben. Berlusconi spiele die Demokratie gegen den Rechtsstaat aus, beschreibt es der Philosoph Angelo Bolaffi.

Der Premier handelt dabei nach einer Volk-Fernsehen-Führer-Formel, die ganz Europa erschrecken muss. Denn sie könnte auch noch anderswo zum Einsatz kommen.

In Italien schon heute von einem "Regime" zu sprechen wäre aber verfrüht. Es gibt genügend Richter, Journalisten und Bürger, die Berlusconi entgegentreten. So sind die Italiener durchaus über den Pakt mit dem Teufel informiert, den ihr Premier geschlossen hat.

Auf der Jagd nach den letzten Promillen zum Sieg scheute er nicht davor zurück, mit lupenreinen Faschisten anzubandeln - die sechste Sünde des Premiers.

Am schwersten aber wiegt, dass Berlusconi Italien gespalten hat. Er radikalisierte das großzügige, moderate Land und trieb die Bürger in politische Schützengräben.

Die Folge: Auf der Rechten wie auf der Linken finden nur noch Lager-Debatten statt. Ein Dialog über die Mitte hinweg ist unmöglich geworden. Das menschenfreundliche Italien zeigt sich auf einmal als geiferndes Land.

Sieben Sünden, sieben Gründe, den Cavaliere zu entmachten, zumal er nicht einmal sein Versprechen erfüllte und dem Land als Unternehmer-Premier Wohlstand brachte.

Dennoch fällt es vielen Italienern schwer, vom komödiantischen Patriarchen zu lassen. Auch wenn Prodi siegen sollte, wird Italien noch viel Kraft brauchen, sich aus Berlusconis Bann zu lösen und Versöhnung zu finden.

© SZ vom 7.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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