Kommentar zur Visa-Affäre:Zu schwache Gründe für den Rücktritt

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Warum Joschka Fischer Außenminister bleiben wird und der Bundeskanzler ihn dabei weiter unterstützt.

Von Kurt Kister

Ob ein Minister zurücktreten muss, weil er einen Fehler gemacht hat, ist eine Frage des subjektiven Ermessens - es sei denn, es geht um strafrechtlich relevante Tatbestände.

Die jeweilige Opposition wird, schon allein weil sie Opposition ist, stets den Rücktritt fordern. Der Amtsträger wird im Amt bleiben, wenn sein Chef, der Kanzler, es dringend wünscht, wenn der Minister sich politisch wie moralisch stark genug fühlt, den Sturm auszuhalten, und wenn beide, Kanzler und Minister, der Überzeugung sind, dass es für die Zukunft der Regierung besser sei, in derselben Besetzung weiterzumachen.

Für Joschka Fischer treffen in der Visa-Affäre alle drei Kriterien zu. Er wird bleiben, und Schröder wird ihn bis zum gemeinsamen Untergang oder bis zum neuerlichen Wahlsieg heftig unterstützen.

Fischers Fehler sind klar und er hat sie nun auch endlich öffentlich zugegeben: Die Liberalisierung der Visavergabe hat zu einem Anstieg der Schleuserkriminalität vor allem aus der Ukraine geführt; der Minister hat dies zunächst nicht erkannt und danach zu spät etwas dagegen unternommen.

Was Angela Merkel wissen sollte

Trotzdem bleibt grundsätzlich richtig, dass nach dem Regierungswechsel deutlich mehr Menschen als früher nach Deutschland einreisen durften. Die Reisefreiheit gehört zu den herausragenden demokratischen Werten, was gerade Angela Merkel mit ihrer DDR-Biografie wissen sollte.

Fischer hat in der Visa-Frage gefehlt, kein Zweifel. Aber er hat seit 1998 sein Amt vom Kosovo über die Jahre des Terrors und den Irak-Krieg bis hin zur Organisation der Tsunami-Hilfe ganz überwiegend zum Nutzen des Landes ausgefüllt.

In Relation dazu ist sein Verhalten in der Visa-Affäre ärgerlich, aber nicht Grund genug für einen Rücktritt.

© SZ vom 28.02.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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