Kommentar:Wahlkampf in Washington

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George Bushs Amerika als Feindbild ist abgenutzt - deswegen scheint Gerhard Schröder Europa als Wahlthema auserkoren zu haben.

Von Stefan Kornelius

Schon einmal traf der Kanzler kurz vor einer Bundestagswahl den amerikanischen Präsidenten. Über dieses Gespräch am 24. Mai 2002 in Berlin gibt es unterschiedliche Darstellungen - unbestritten ist jedoch, dass damals das transatlantische Schisma über den Irak-Krieg seinen Ausgang nahm.

George Bush will gehört haben, dass der deutsche Bundeskanzler keinen Wahlkampf gegen Amerika betreiben werde; und Gerhard Schröder will verstanden haben, dass der US-Präsident den deutschen Wahlkampf nicht mit Kriegsgerede belasten wolle.

Der Rest ist Geschichte. Besonders Bush fühlte sich verraten und persönlich verletzt durch die antiamerikanische Welle, die in der Bundestags-Kampagne im August und September 2002 losschwappte.

Und Schröder fühlte sich brüskiert durch die Art, wie die US-Regierung ohne Rücksicht auf ihre Verbündeten Entscheidungen traf und Gefolgschaft einforderte.

Ungeachtet der politischen Entwicklung der Zeit bis zum Kriegsbeginn waren es diese kritischen Sommermonate, in denen die persönliche Chemie zwischen Kanzler und Präsident zerstört wurde.

Daran hat sich wenig geändert. Zwar gehen Bush und Schröder professionell mit ihren Differenzen um. Aber sie wissen auch, dass ihr Verhältnis belastet bis zerrüttet ist und wohl nicht mehr zum Besseren gewendet werden kann.

Auch die möglicherweise letzte Visite Schröders als Bundeskanzler in Washington hat dies gezeigt. Bush und Schröder gingen penibel die Top-Ten-Liste der Weltpolitik durch - Iran, Irak, Zustand der EU -, tatsächliche Impulse aber waren von keinem mehr zu erwarten.

Regierungswechsel nicht beweinen

Bush wollte selbstverständlich den Anschein vermeiden, dass er den Kanzler wenige Tage vor der Vertrauensfrage und zu Beginn eines Blitzwahlkampfes schwächt oder abweist - das wäre aus amerikanischer Sicht nach der Irak-Erfahrung gar kontraproduktiv, weil Schröder in seinem Widerstand gegen die USA auch wächst.

Man darf gleichwohl unterstellen, dass die konservative Bush-Mannschaft einen Regierungswechsel in Berlin nicht beweint. Und Schröder wollte in jedem Fall den Eindruck vermeiden, er sei zum Abschied nach Washington gereist.

Bush wird im deutschen Wahlkampf eine nachgeordnete Rolle spielen. Die Emotionalität der letzten Kampagne wird sich nicht mehr erzeugen lassen. Amerika als Feindbild ist abgenutzt, weil der Irak und all die anhaltenden Unzumutbarkeiten der US-Politik auch müde machen.

Deswegen scheint Schröder Europa für sein Wähler-Klientel als Wahlthema auserkoren zu haben - allerdings auch hier wieder gewürzt mit diesen unheilbringenden Erfindungen des amerikanischen Hegemon, wie das Klischee sie verlangt: den Heuschrecken, den Turbokapitalisten, den Globalisierungs-Fetischisten, deren Zügellosigkeit der guten alten Europäischen Union zum Verhängnis werden könnte.

Das warme, heimelige, soziale Europa gegen das kalte, unbarmherzige Markt-Europa; das deutsch-französische Modell gegen das britische, neu-ostische Modell, wie es in den Beitrittsländern gepflegt wird; Blair gegen Schröder - so könnte die Botschaft aussehen.

Das Narrativ dieser Kampagne zeichnete sich bereits rund um das Verfassungs-Desaster und den gescheiterten Budget-Gipfel der EU ab. Es wäre das zweite Mal, dass Schröder mit einem außenpolitischen Leitmotiv seine Wiederwahl zu sichern sucht - aber dieses Mal würde er noch mehr als im Jahr 2002 einen Fehler begehen.

Wer Wahlkampf betreibt, der will Entscheidungen herbeizwingen. "Ich oder er" - wie Schröder es einmal formuliert hat. Das ist legitim, aber in der Außenpolitik gefährlich.

Denn Schröder würde nicht nur die Bürger vor die Wahl stellen, er spaltet auch in der außenpolitischen Wahrnehmung Deutschlands. Die Spalt-Dynamik war vor dem Irak-Krieg nicht zu stoppen und resultierte in einem (auch von Bush beförderten) Bruch in der EU.

Ein rein innereuropäisches Spalt-Thema im Bundestagwahlkampf wäre, gemessen an 2002, wirklich verhängnisvoll. Es käme nach dem Doppelschlag von Verfassung und Budget einem finalen Stoß für die EU gleich.

Der Besuch bei Bush und der aufkommende Wahlkampf mit seinem außenpolitischen Leitmotiv deutet auf ein großes Vakuum: Es fehlt eine moderne Außenpolitik für dieses schwergewichtige Deutschland im Herzen Europas. Was genau also bedeutet Amerika noch für Europa?

Wie lässt sich der europäische Einfluss in Washington erhöhen? Wie kann man die Bedeutung und Einmaligkeit der EU in den USA verkaufen?

Schröder hat in den vergangenen Jahren mit seiner Abwendung von Amerika und einer nationalistischeren Politik in Europa neue Spuren gelegt. Allein: Sie werden verwischt werden, sollte der Kanzler das Amt verlieren.

Gleichwohl verlangt die erweiterte EU und auch das überbordende Selbstverständnis Amerikas nach einer klugen Balance-Politik, die ohne populistische Triebe funktioniert.

Ein deutscher Kanzler als stärkster Repräsentant eines geeinten Europas - dies wäre ein so respektierter wie gefürchteter Besucher in Washington.

© SZ vom 28.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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