Kommentar:Waffen als Währung

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Warum es Unfug ist, wenn der Kanzler per Tauschgeschäft das EU-Embargo gegen China aufheben will.

Von Stefan Kornelius

Es gehört zu den besonders plumpen politischen Verknüpfungen, wenn der deutsche Bundeskanzler in China für die Aufhebung des EU-Waffenembargos plädiert und im Gegenzug eine windelweiche Unterstützung der Chinesen für eine "gebührende Rolle" Deutschlands im UN-Sicherheitsrat erhält.

Waffen gegen einen Sitz im Sicherheitsrat - was eigentlich will Gerhard Schröder mit diesem dreisten Tauschgeschäft erreichen?

Die Gegner der deutschen UN-Ambitionen höhnen gerne, dass Berlin doch erst einmal mit einer Außenpolitik für die ganze Welt aufwarten solle, ehe es großspurig sein Recht auf den Sitz im Sicherheitsrat einfordere.

Zu dieser kompletten Außenpolitik gehört auch ein klares Wort zu Taiwan und zum chinesischen Appetit auf die Insel.

Zu dieser Außenpolitik gehört eine vernünftige Analyse über die strategischen Ambitionen Pekings, sein atomares Langstreckenpotenzial, sein manchmal hilfreicher, dann aber auch wieder unseliger Einfluss auf Nordkorea, seine Hegemonialbestrebungen in Südostasien und die Bedeutung einer chinesischen Aufrüstung für das Kräftegleichgewicht am Pazifik.

Bevor der amerikanische Präsident den Terror zum außenpolitischen Leitmotiv machte, war sich die mit Washington verbündete Welt einig, dass die nächste große Herausforderung auf dem globalen Markt der Sicherheitspolitik von China ausgeht.

Warum sollte China die militärische Schlagkraft steigern

An dieser Analyse hat sich wenig geändert. China ist eine rapide wachsende Großmacht, die in ihrem Expansionsdrang nationale Interessen durchsetzen wird - vielleicht sogar mit aller Gewalt.

Potenzielle Spannungen in der chinesischen Gesellschaft könnten sich außerdem in Unruhen im Inneren entladen - und von der herrschenden Partei selbstverständlich auch mit Gewalt bekämpft werden.

Die chinesische Machtentfaltung muss per se kein Nachteil sein, aber sie sollte mit großer Vorsicht begleitet werden. Zu dieser Vorsicht gehört, dass Peking von der Europäischen Union keine Waffen erhält.

Das Land ist nicht bedroht, es verfolgt eine robuste Wirtschaftspolitik - warum sollte es zu all dem seine militärische Schlagkraft steigern?

China wird sein Militär bestimmt nicht einsetzen wollen, um im Sudan die Regierungsschergen zu stoppen oder in Iran die Atom-Mullahs zu besänftigen. Mit beiden Regimen pflegt Peking nämlich freundliche Beziehungen, um seinen Appetit auf Erdöl zu stillen.

Wer China also aufrüstet, der verfolgt in Wahrheit ein anderes Ziel: Er spielt Geo-Schach, er verschiebt die Kräfte auf dem großen Spielbrett.

Und weil sich die wichtigste Konfrontation dieses Jahrhunderts möglicherweise zwischen den USA und China abspielen wird, richtet sich die Aufrüstung Pekings auch gegen Washington. Das Kräftefeld wird zu Ungunsten von Japan und Taiwan verschoben - beides Schutzbefohlene der USA. Für die EU und Deutschland sollte es keine Zweifel geben, auf welcher Seite des Schachbretts sie stehen wollen.

© SZ vom 7.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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