Kommentar:Und Frau Merkel blicket stumm

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Die Union ist zerstritten, was das Elterngeld angeht. Familien- ministerin von der Leyen lamentiert, Söder bleibt konservativ. Und die Kanzlerin verhält sich mal wieder wie die Mutter des Zappelphilipps.

Nico Fried

Man kann Familienministerin Ursula von der Leyen nicht vorwerfen, sie habe kein klares Bild vom künftigen Dasein der Kinder in Deutschland. Ein Elterngeld soll schon deren Zeugung attraktiver machen, für die ersten Jahre soll das Betreuungsangebot der Kindertagesstätten erweitert und am besten unentgeltlich werden.

Und wenn die Kleinen dann zur Schule gehen, erwartet sie nach den Vorstellungen der Ministerin eine auf religiösen Werten gründende Erziehung.

Zumindest was die finanziellen Verbesserungen für Familien betrifft, ficht von der Leyen in ihren Reihen einen erstaunlich einsamen Kampf. Das Elterngeld hat in der Union eine entlarvende ideologische Debatte entfacht: Konservative wie CSU-Generalsekretär Markus Söder verwahren sich dagegen, dass Männer einen minimalen und zudem noch freiwilligen Beitrag zur Erziehung leisten sollen.

Andere, wie Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, verschanzen sich hinter Argumenten sozialer Ungerechtigkeit, die so selbst aus der SPD kaum noch zu hören sind. Beim Elterngeld ist die Unions-Familie zerstritten.

Nur die Kanzlerin verhält sich mal wieder wie die Mutter des Zappelphilipp: Und Frau Merkel blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum.

Geschrei nach der Ehrlichkeit

Mehr Kinderbetreuung hingegen, ja, das wollen alle. Aber wehe es kommt einer wie jetzt der designierte SPD-Vorsitzende Kurt Beck, der als Ministerpräsident ziemlich genau weiß, wovon er redet, und sagt, dass derartige öffentliche Investitionen ohne zusätzliche Steuergelder nicht möglich sind.

Dann ist das Geschrei mindestens so groß wie das Loch in den Kassen der Länderhaushalte, aus denen das Geld für die Kinderbetreuung kommen soll. Doch eine wirkliche Veränderung der schwierigen Verhältnisse für Eltern und Kinder kostet - umsonst ist nur die propagandistische Profilierung.

Leider ist vor deren Versuchung auch die Familienministerin nicht gefeit. Für diesen Donnerstag hat sie ein Gespräch anberaumt, bei dem man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, sie wolle damit vor allem ein versöhnliches Signal an ihre kritischen Parteifreunde senden: Mit Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche möchte von der Leyen ein Bündnis ins Leben rufen. Christliche Werte wie Respekt, Aufrichtigkeit und Verantwortung sollen Leitlinien der Erziehung werden.

Was an diesen Werten allein christlich sein soll, bleibt das Geheimnis der Ministerin. Schon im Ansatz wirkt dieses Bündnis unangenehm ausgrenzend und damit auch fern der Realität an jenen Schulen, die Hilfe am nötigsten haben. Aber auch von der Leyens Lamento, Erziehung sei in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden, ist eine gut gemeinte Unverschämtheit gegenüber vielen Lehrern und auch Eltern, die sich jetzt schon mit großem Aufwand um das Gegenteil bemühen.

Die größten Versäumnisse liegen seit Jahren beim Staat. Ob das mit kirchlichem Beistand besser wird, ist zweifelhaft.

© SZ vom 18.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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