Kommentar:Tödliche Schachzüge

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Das sudanesische Regime trickst und täuscht - und provoziert dadurch immer neue Konflikte.

Von Michael Bitala

Offensichtlicher kann die Strategie der sudanesischen Regierung nicht sein. Seit Monaten schon werden weitere "Durchbrüche" und "Meilensteine" auf dem Weg zum Frieden mit dem Südsudan verkündet. Noch in dieser Woche würden wichtige Rahmenverträge mit den SPLA-Rebellen unterschrieben, hieß es. Doch dann wurde die Unterzeichnung wieder aufgeschoben.

Im kenianischen Verhandlungsort Naivasha wurden Beobachter am Mittwoch Stunde um Stunde vertröstet, und es dauerte bis zum späten Abend, bis endlich die drei angestrebten wichtigen Teilabkommen unterzeichnet wurden. Das Verhalten des Militärregimes in der Hauptstadt Khartum kann mit drei Worten charakterisiert werden: Täuschen, Tricksen, Verzögern.

Dass die Unterzeichnung gerade jetzt stattfand, nach Monaten der Verzögerung, hängt damit zusammen, dass sich der UN-Sicherheitsrat am Dienstag mit dem Krieg im Westsudan beschäftigte und Khartum aufforderte, Helfern endlich freien Zugang nach Darfur zu ermöglichen.

Khartum hat wieder einmal sein Ziel erreicht

Der Sicherheitsrat zeigte sich tief besorgt über die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen, zu Sanktionen aber reichte es auch diesmal nicht - trotz des staatlich angeordneten Vernichtungs- und Vertreibungskriegs gegen Teile der Bevölkerung, dem bis zu 350000 Menschen zum Opfer fallen könnten.

Khartum hat wieder einmal sein Ziel erreicht. Das Regime wird von der internationalen Gemeinschaft nicht ausreichend verurteilt, es gibt keine Sanktionen, und es wird keine Militärintervention angedroht. Damit hat die Regierung weiter Zeit, ihren Krieg im Westen, der deutliche Züge eines Völkermordes annimmt, nahezu ungestört fortzuführen.

Es kommt zu Massenmorden, Vergewaltigungen, Versklavungen und Vertreibungen. Ganze Gegenden sind schon menschenleer, und es wird nicht mehr lange dauern, bis der letzte schwarzafrikanische Bewohner aus Darfur vertrieben wurde oder in einem Flüchtlingslager angekommen ist, das von Hilfsorganisationen nicht versorgt werden darf.

Die Weltgemeinschaft unternimmt fast nichts gegen die Katastrophe im Westsudan, weil sie den Friedensprozess für den Südsudan, wo seit 21 Jahren Krieg herrscht, nicht gefährden will.

Khartum spielt auf Zeit, und selbst jetzt, nachdem die Teilabkommen unterschrieben sind, bedeutet das noch nicht, dass es zum endgültigen Friedensvertrag mit dem Süden kommt. Auch wenn die Weltgemeinschaft, allen voran die USA, auf diesen Friedensschluss dringt - sie ist sich offenbar nicht bewusst, welche Risiken er birgt.

Es besteht die Gefahr, dass er bestehende Konflikte anheizt und neue provoziert. Denn mit diesem Papier soll die gesamte Macht, der ganze Reichtum zwischen dem Regime in Khartum und der Südmiliz SPLA aufgeteilt werden. Dabei geht es vor allem um enorme Ölvorkommen.

Andere Oppositionsgruppen und Milizen - und davon gibt es Dutzende - gehen leer aus. Der Anfang 2003 begonnene Aufstand im Westsudan war bereits die Konsequenz aus diesem geplanten Friedensvertrag, da die dortigen Rebellen auch etwas abhaben wollen - und sei es nur mehr regionale Autonomie. Weitere militante Gruppen könnten dieser Rebellion folgen, sollten sich Khartum und SPLA wirklich einigen.

Druck der Welt für ein Ende des Krieges in Darfur

Die internationale Unterstützung für diesen Friedensvertrag ist also höchst fragwürdig, nicht nur, weil er den Krieg in Darfur nicht berücksichtigt, sondern auch weil das Prinzip, große Teile der Bevölkerung von Frieden und Wohlstand auszuschließen, schon oft Ursache für Bürgerkriege in Afrika war.

Wenn den Menschen im Sudan wirklich geholfen werden soll, dann müsste die Weltgemeinschaft massiven Druck auf Khartum ausüben, damit der Krieg in Darfur sofort beendet wird. Danach könnte nur ein umfassender Friedensvertrag für das ganze Land wirklich Frieden bringen.

Alles andere ist Augenwischerei.

© <i>SZ vom 27.05.2004</i> - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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