Kommentar:Stoiber allein zu Haus

Die eigene Landtagsfraktion bereitet dem bayerischen Ministerpräsidenten eine peinliche Niederlage - zum ungünstigsten Zeitpunkt.

Das eigentliche machtpolitische Rückgrat der CSU ist die Münchner Landtagsfraktion. Dort sind die meisten Kreisvorsitzenden der Partei versammelt, die rasch erfahren und weitermelden, was an der Basis so gedacht wird.

Wenn in der Landtagsfraktion ein Aufstand losbricht, bedeutet das für die Parteiführung höchste Alarmstufe und hat in der Regel ein rasches Einlenken zur Folge. Franz Josef Strauß musste einst erleben, wie die zornigen CSU-Landtagsabgeordneten die Steuerbefreiung für Flugbenzin wieder kippten, die der begeisterte Hobby-Pilot damals partout durchsetzen wollte.

Eine peinliche Niederlage...

Jetzt hat die eigene Landtagsfraktion Edmund Stoiber eine peinliche Niederlage bereitet. Die von CSU-Landesgruppenchef Michael Glos ausgeheckte und von Stoiber gutgeheißene Unterschriftenaktion gegen einen EU-Beitritt der Türkei wird nicht kommen. Die CSU-Abgeordneten wollen diesen populistischen Unfug nicht mitmachen.

CSU-Generalsekretär Markus Söder stand bei einer Fraktionsdebatte zu dem Thema (Stoiber hatte die Sitzung schon vorher verlassen) allein auf weiter Flur. Auch wenn es keine formelle Abstimmung gab, ist die umstrittene Aktion damit abgeblasen, denn gegen den Widerstand der Fraktion ist in der CSU nichts zu machen.

...zum ungünstigsten Zeitpunkt

Für Stoiber ist das eine Blamage zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn seine CDU-Rivalin Angela Merkel steht im Streit um die Gesundheitspolitik gerade angeschlagen da, in der CDU herrscht ein wildes Durcheinander. Stoiber hätte auf die Kraft seiner Argumente vertrauen können.

Stattdessen inszenierte er mit der Unterschriftenaktion ein peinliches Ablenkungsmanöver, das selbst den eigenen Leuten zu dumm war.

© SZ vom 15.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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