Kommentar:Spielraum für Teheran

Lesezeit: 2 min

Die Möglichkeiten der USA sind begrenzt, Iran wegen des Atom-Programms unter Druck zu setzen.

Von Rudolph Chimelli

Wenn die Europäer mit einer Stimme sprechen, was selten genug vorkommt, können sie tatsächlich etwas erreichen.

Im Disput um das iranische Atom-Potenzial haben sie bei der Wiener Kontroll-Agentur IAEA abermals einen Kompromissvorschlag zu Stande gebracht: Die USA verzichten auf "automatische Überweisung" des Falles an den UN-Sicherheitsrat, falls nicht bis November alle Fragen geklärt sind.

Stattdessen werden dann erst "weitere Schritte" geprüft. Die Iraner wiederum werden die Aussetzung der Uran-Anreicherung voraussichtlich noch eine Weile verlängern.

Nicht nur das Gewicht der EU war wirksam. Die Chancen für eine härtere Resolution standen schlecht. Ungewöhnlich offen hatten die Chinesen mit ihrem Veto im Sicherheitsrat gedroht.

Schon Kriegsgrund im Irak

Auch die Russen und die Blockfreien zogen nicht mit. Dass die Amerikaner in letzter Stunde Satelliten-Photos einer gerade entdeckten möglichen Produktionsstätte für Atomwaffen in Partschin bei Teheran aus der Schublade holten, machte keinen starken Eindruck: Massenvernichtungswaffen, die es dann nicht gab, hatten schon als Kriegsgrund gegen den Irak herhalten müssen.

Wie die nächsten Schritte aussehen sollen, wenn Sanktionen im Sicherheitsrat nicht durchsetzbar wären, muss jetzt nicht erwogen werden.

Einen militärischen Alleingang, wieder an den UN vorbei, wird Washington sich angesichts des Debakels im Irak selber nicht wünschen. Das Risiko eines Angriffs auf Iran wäre die Schaffung eines beinahe geschlossenen Unruhegebietes von Palästina bis nach Afghanistan.

Ein Schritt auf dem Weg zum neuen demokratischen Nahen Osten wäre es mit Sicherheit nicht.

Falls die Israelis mit Luftangriffen auf iranische Ziele als Erfüllungsgehilfen der Amerikaner tätig würden, wäre der politische Schaden nicht geringer.

Militärische Nutzen ungewiss

Dabei wäre nicht einmal der militärische Nutzen gewiss. Im Jahre 1981 hatte die israelische Luftwaffe den irakischen Reaktor Osirak bei Bagdad zerstört.

Dieser war als Einzelziel relativ leicht auszuschalten. Die iranische Atomwirtschaft besteht hingegen aus Anlagen, die sich an vielen Stellen befinden, teilweise unterirdisch arbeiten, teilweise inmitten von Städten.

Das weithin sichtbare Atomkraftwerk von Buschehr am Golf, an dem die Russen bauen, ist nicht zur Produktion von Atomwaffen geeignet.

Im neu entdeckten Partschin, etwa 40 Kilometer südöstlich von Teheran, befindet sich seit den Dreißigerjahren eine große Munitions- und Sprengstoff-Fabrik.

Erstmals hatte Ende letzten Jahres ein Reform-Abgeordneter im iranischen Parlament beklagt, dass dort sowie in den Bergen zwischen Karadsch und Kaswin, nordwestlich der Hauptstadt, unterirdische Atomanlagen entstünden, während viele Kinder nicht genug zu essen hätten.

Angeblich hat die Wiener Agentur kürzlich den Wunsch nach Inspektionen in Partschin angemeldet, die von Teheran aber noch nicht genehmigt seien. Die Iraner bezeichnen dies als "Lüge".

© SZ vom 18.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: