Kommentar:Schill-Partei ohne Schill

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Der Versuch von Bürgermeister Ole von Beust, dauerhaft die Hamburger Koalition zu retten, ist zum Scheitern verurteilt.

Von Reymer Klüver

(SZ vom 22.08.2003) - Ronald Schills politische Höllenfahrt führt exemplarisch zwei Wahrheiten des politischen Geschäfts vor Augen. Einerseits korrumpiert nichts so sehr wie die Macht. Die Hamburger Rathauskoalition wird einzig vom gemeinsamen Willen zur Macht zusammengehalten. Denn zur Zeit fürchten die drei Regierungsparteien nichts mehr als Neuwahlen.

Schills Partei würde mit einem politischen Kastraten als Spitzenmann in die Nähe der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit schrumpfen. Die FDP hätte ebenfalls Mühe, erneut die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen. Die Union würde zwar gewinnen, aber nicht so viel, wie die Bündnispartner verlören. Auf der anderen Seite aber macht pures Machtstreben unglaubwürdig. Die Hamburger Koalition wird kaum die Wahlperiode überleben.

Der Anführer ist weg, die Schmuddelkinder bleiben

Man darf sich nicht täuschen. Ole von Beust hat nur den Anführer der politischen Schmuddelkinder rausgeworfen, nicht die ganze Bande. Mit deren nach zwei Jahren im politischen Geschäft ganz reputierlich gewordenen Mitgliedern will er weiter spielen. Sicher ist die Entfernung Schills ein Akt moralischer Aufrichtigkeit. Beust kann sich nicht erpressen lassen. Es ist aber auch der entschlossen gehandhabte Versuch, ein Projekt zu retten, das mit dem regelmäßig ausrastenden Polit-Narren Schill nicht länger tragbar war. Ole von Beust hat die erste Gelegenheit zum Rauswurf entschlossen genutzt.

Und weil Macht so viel Spaß macht, kann es nicht verwundern, mit welcher Zielstrebigkeit die Führungsriege der Schill-Partei nach dieser Vorgabe den politischen Vatermord betreibt. Nicht nur die Nachfolgefragen im Senat wurden quasi über Nacht gelöst. Der Patron soll auch aus der Fraktion gedrängt werden, so wie es Beust implizit empfohlen hat. Selbst aus dem Parteikürzel soll der Name dessen, der bis dato alles zusammenhielt, getilgt werden. Das wird nicht gutgehen.

Schill wird sich zurück melden

Schill, monomanischer Einzelgänger, der er ist, verfolgt noch schmollend den Versuch seiner politischen Entsorgung. Der Mann, der aus öffentlicher Aufmerksamkeit das Gefühl persönlicher Bedeutsamkeit saugt, wird sich zurückmelden und seine bisherige Gefolgschaft vor die Wahl stellen: die Neuen oder ich. Die Rückkehr des Unbehausten aber würde Fraktion und Partei spalten, die Koalition ihre Mehrheit einbüßen.

Doch selbst wenn dieses Szenario nicht einträte und Schill sich tatsächlich zurückzöge: Das Bild, das sich bietet, ist kaum verlockender. Beust müsste immer wieder rechtfertigen, warum er es mit einer Partei treibt, die ausschließlich von den Ideen und Parolen des Mannes lebt, den er zur politischen Unperson erklärt hat.

Den moralischen Bonus, den ihm der Befreiungsschlag vom Dienstag verschafft hat, würde er nach und nach einbüßen. Und die eigene Partei müsste sich, je näher der Wahltermin rückt, fragen, welche Perspektive die Zusammenarbeit mit einer solchen Hilfstruppe überhaupt bietet. Auch deshalb werden sich bald die Stimmen in der Union mehren, das Experiment lieber heute als morgen abzubrechen.

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