Kommentar:Rapider Imageverlust

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Das Sicherheits-Argument ist nicht der stichhaltigste Grund, die Transrapid-Pläne aufzugeben. Es ist ein psychologisches Element, welches das Aus bringen könnte.

Wofgang Roth

Gut möglich, dass der schwere Unfall im Emsland der Magnetschwebebahn in Deutschland nun endgültig den Weg verbaut hat. Dabei ist das Sicherheits-Argument - bei aller Vorsicht in der momentan möglichen Bewertung der Ursachen - nicht der stichhaltigste Grund, diese Pläne aufzugeben. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein solcher Unfall systemimmanent oder kaum vermeidbar gewesen wäre. Daran zu glauben, fällt aber schwer. Auch auf ICE-Strecken muss verhindert werden, dass es zu Kollisionen kommt; einige dieser Gefahrenquellen werden mit Hilfe der aufgeständerten Trasse des Transrapid sogar vermieden. Überhaupt wäre es erstaunlich, wenn moderne Technik im Zusammenspiel mit dem Bedienungspersonal nicht ausschließen könnte, dass sich Wartungs- und Betriebsfahrzeuge begegnen.

Es ist ein psychologisches Element, welches hierzulande das Aus für den Transrapid bringen könnte. Dass es sich um ein beispiellos sicheres Verkehrsmittel handelt, ist so lange behauptet worden, dass daran kaum mehr einer gezweifelt hat. Umso größer ist der Schock, wenn es zu einem solchen Unfall kommt - einem Ereignis zumal, das nicht durch Einwirkung von außen zustande kam, durch Sabotage etwa oder eine ganz ungewöhnliche Verkettung widriger Umstände. Es war der normale Betrieb auf einer Teststrecke, welche von fröhlichen, staunenden Gästen aus aller Welt befahren wurde. Fast 20 Jahre lang ging es gut, und in derartiger Normalität liegt immer eine der größten Gefahren, ob es sich um Fahrzeuge aller Art oder um Kernkraftwerke handelt: Wer sich zu sehr in Sicherheit wiegt, wer in der Aufmerksamkeit nachlässt, der neigt zu Fehlern.

Sicherheitstechnik kann den Menschen überfordern

Die sind aber unverzeihlich, wenn immense Geschwindigkeiten erreicht werden. Obwohl sie es in der Fahrschule gelernt haben, reiben sich schneidige Autofahrer die Augen, wenn ihnen Polizisten mit Hilfe von Simulatoren vorführen, wie sich der Bremsweg mit steigendem Tempo verlängert. Beträgt er etwa auf trockener Fahrbahn bei 100 Kilometern pro Stunde noch 80 Meter, können es bei 200 km/h schon 280 Meter sein. Das bedeutet, dass Geschosse wie der ICE oder der Transrapid einer hochkomplexen Sicherungstechnik bedürfen, welche den Menschen überfordern kann, wenn er notfalls doch eingreifen muss.

Solche Technik ist teuer. Unter Umständen müssen die zurückhaltend angesetzten Kosten für den Transrapid zwischen Münchner Innenstadt und Flughafen auch wegen des Unfalls korrigiert werden. Der furchtbare Zusammenstoß im Emsland wird die Aufmerksamkeit nun wieder besonders auf die ökonomische Schieflage des Projekts lenken. Die besteht auch, weil eine neuartige, mit dem bestehenden Schienennetz kaum verknüpfbare Mobilitätstechnik in die vielerorts dicht besiedelte Struktur Mittel- und Westeuropas gepflanzt werden soll.

So war von vornherein klar, dass geeignete Strecken für den Transrapid nur schwer in dem Land zu finden sind, in dem er entwickelt wurde. Die lange anvisierte Verbindung zwischen Hamburg und Berlin konnte auch nur deshalb eine gewisse Attraktivität entwickeln, weil der Ausbau der ICE-Strecke gestoppt wurde. Andernfalls wäre der Zeitgewinn so gering gewesen, dass er nie die hohen, letztlich vom Steuerzahler zu tragenden Kosten gerechtfertigt hätte. Daran scheiterte das Projekt, die zwei größten Städte des Landes in schwebender Fahrt zu erreichen.

Die geeignetste Strecke hätte vielleicht einen weit vor den Toren Berlins entstehenden Großflughafen mit der Hauptstadt verbunden. Man hätte weitgehend Neuland betreten und Berlin ist ohnehin eine einzige Baustelle. Die Wahl fiel aber auf Schönefeld und nicht auf Sperenberg im Umland.

Wesentlich mehr Geld für minimalen Zeitgewinn

Nun bleibt als wohl letzte Chance die Münchner Strecke, aber auch in diesem Fall muss man den Bürgern plausibel erklären, warum sie für den minimalen Zeitgewinn des Transrapids wesentlich mehr bezahlen sollen als für eine beschleunigte S-Bahn. Dass es sich um eine faszinierende Technik handelt, wird etliche Fahrgäste anziehen, die zwischendrin vom Besucherhügel aus das Starten und Landen der Flugzeuge verfolgen. Wer aber nur sein Flugzeug erreichen will, für den ist entscheidend, dass er schneller am Ziel ist als mit dem Auto und der Bummel-S-Bahn. So oder so wird jetzt unter Schmerzen ein Kardinalfehler des Flughafens korrigiert: seine miserable Schienenanbindung.

Bleibt die Notwendigkeit einer "Referenzstrecke" in Deutschland. Wie der Transrapid im Alltagsbetrieb funktioniert, können Interessenten aber in China studieren, auch deshalb, weil sich die Bürgerbeteiligung dort darauf reduziert, dass die Bürger ihre Häuser räumen müssen. Eine Bahn, die im Wesentlichen nur zum Vorzeigen dient, ist hingegen keine so gute Referenz; es bedarf schon auch der Demonstration, dass sie genau hier gebraucht wird, dass sie ohne Alternative ist, und dies zu vertretbaren Kosten. Die Zweifel daran sind nicht geringer geworden nach diesem schwarzen Freitag im Emsland, der zwar auf menschliches Versagen zurückgeführt wird, gleichwohl aber das Image dieser Technik angekratzt hat.

© SZ vom 26.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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