Kommentar:Oppositionsunfähige Union

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Die groteske Debatte über die Kanzlerkandidatur offenbart erneut die Schwäche der CDU-Chefin.

Von Susanne Höll

Wer stark ist, muss das weder verkünden noch verkünden lassen - schon gar nicht von Leuten, die selbst nicht im Rufe großer Stärke stehen. Mag sein, dass die CDU-Herren Rehberg, Schönbohm und Fischer ihrer Bundesvorsitzenden Angela Merkel einen Gefallen tun wollten, indem sie zur Unzeit die Kanzlerkandidaten-Frage stellen.

Erreicht haben sie freilich das Gegenteil. Aus den Äußerungen der drei Landesvorsitzenden, die wahrlich nicht zur Riege schwergewichtiger schwarzer Granden zählen, kann man ablesen, wie schwach die Union und Merkel derzeit sind.

Das Kandidatengerede zeigt, wie nervös die zweite und dritte CDU-Reihe ist und wie tief die Gräben zwischen CDU und CSU.

Dass es keine wirkliche Alternative zu einer Spitzenkandidatin Merkel 2006 gibt, weiß inzwischen jeder, der bei Verstand ist. Dass es nicht wenige in CDU und CSU derzeit bei dieser Erkenntnis fröstelt, ist ebenfalls bekannt und hinreichend beschrieben.

Seit Wochen hat sich die Union durch den von unappetitlichen persönlichen Feindseligkeiten garnierten Kurskampf in der Gesundheitspolitik selbst gelähmt.

Wenigstens noch oppositionsfähig

Man fragt sich nicht mehr, ob die Union regierungsfähig ist. Man fragt sich bereits, ob sie wenigstens noch oppositionsfähig ist. Die aktuelle Antwort lautet: Nein! CDU und CSU sind damit beschäftigt, sich selbst und aller Welt gruselige Szenen einer Ehe zu liefern. Was sie von der Opel-Krise oder der Krise der Staatsfinanzen halten, mag man weder fragen noch wissen.

Merkel trägt daran nicht die alleinige, aber eine maßgebliche Schuld. Ihre Führungskraft ist mehr als angeschlagen, sie selbst ist in ihrer schwersten Krise seit dem Aufstieg zur CDU-Vorsitzenden.

Warum sonst suchen ihre Getreuen ebenso beharrlich wie erfolglos nach Sündenböcken für die hausgemachte Misere? Letzte Woche war eine - nicht existente - christdemokratische Böse-Buben-Bande schuld, nun ist es die CSU.

Natürlich haben Edmund Stoiber, Horst Seehofer und andere ihren Teil zur Krise beigetragen, das kann niemand bestreiten. Die Christsozialen haben sich mit einer Kanzlerkandidatin Merkel abgefunden, wollen dafür aber die Programmatik der Union auf dem Weg hin zur Bundestagswahl 2006 bestimmen.

"Eure Kandidatin - unser Kurs", lautet das CSU-Motto. Das kann nicht funktionieren. Weiß-blaue Volkstümlichkeit, die mal mit rechten und mal mit linken Parolen auf Kopf oder Bauch zielen, nimmt man der CDU nicht ab - und Angela Merkel schon gar nicht.

Neuauflage von 2001

Dass einige CDU-Landeschefs den Ausweg aus einer solchen verfahrenen Lage in einer vorzeitigen Kandidatenkür suchen, erweckt schon fast Mitleid.

Mitleid mit einer Union, die in großer Not vor ungelösten Sachkonflikten in unnötige Personaldebatten flüchtet. Merkel will die Debatte nun stoppen, gerade noch zur rechten Zeit. 2001 war die unionsinterne Inszenierung der Kanzlerkandidatur gelegentlich recht unterhaltsam. Dieser Tage ist sie allenfalls grotesk.

© SZ vom 25.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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