Kommentar:Frucht mit faulem Kern

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Der ominöse Fonds steht im Zentrum einer weithin missratenen Gesundheitsreform.

Andreas Hoffmann

Die Anforderungen an eine Gesundheitsreform sind im Grunde einfach. Sie soll die Ausgaben von Ärzten, Kliniken und Pharmaherstellern begrenzen, damit Bürger und Firmen nicht immer mehr zahlen.

Sie soll für mehr Durchblick sorgen, damit die Patienten wissen, wo sie gut behandelt werden. Schließlich soll eine solche Reform das Land fit für die Zukunft machen, sodass die Menschen auch in einer älter werdenden Gesellschaft vernünftig und bezahlbar versorgt werden. Gemessen an diesen Anforderungen, über die sich die Experten einig sind, hat die große Koalition ein miserables Ergebnis vorgelegt.

Die geplanten Änderungen erfüllen kaum eines der Ziele, im Gegenteil. Dies ist seit 1977 die erste Gesundheitsreform von vielen, die dazu führt, dass die Kassenbeiträge kräftig steigen werden. Das ist absurd.

Dabei hat man nicht den Eindruck, die Koalition habe aus dem Debakel der nächtlichen Reformverhandlungen im Kanzleramt irgendetwas gelernt. Angela Merkel verteidigt wacker das Vorhaben, und die zuständige Ministerin Ulla Schmidt lässt Gesetzentwürfe schreiben, die mehr verwirren als aufklären. So will sie zum Beispiel den Beitrag für alle 250Kassen in eigener Verantwortung festlegen und dies nicht mehr den jeweiligen Trägern überlassen.

Der Gesundheitsfonds als Wundermittel

Eine interessante Idee, nur warum? Die Finanznöte der Kassen löst der Einheitsbeitrag jedenfalls nicht. Eine Behörde soll zudem die Geldströme zwischen den Kassen neu organisieren. Doch dieses Amt ist heute schon überfordert, und wird es noch mehr sein, wenn es bald 150 Milliarden Euro verwalten und kontrollieren soll.

Dann ist da der ominöse Gesundheitsfonds. Dieser Fonds, eine Art Geldsammelstelle, ist der Kern der Reform. Er soll die Milliarden zwischen den Kassen neu verteilen - eine Art Wundermittel, das alles zum Guten wendet. Wer seine Entstehung verfolgt hat, glaubt nicht an das wundersame Wirken. Ulla Schmidt hat ihn immer wieder anders begründet. Mal sollte der Fonds dafür sorgen, dass die privaten Krankenversicherer stärker die gesetzlichen Kassen mitfinanzieren. Doch dies verhinderte Edmund Stoiber.

Dann sollte der Fonds erreichen, dass sich arme und reiche Kassen besser gegenseitig helfen. Doch im jüngsten Reformentwurf ist dieses Ziel, ein gerechterer Finanzausgleich, auf das Jahr 2009 verschoben worden. Dann werden Union und SPD zu keiner sachlichen Lösung mehr fähig sein, weil sie zum Wahlkampf antreten.

Nicht alles ist schlecht an der Gesundheitsreform. Manches, wie bessere Preisregeln für Arzneien, könnte dem Patienten sogar nützen, wenn es vernünftig umgesetzt würde. Doch der Kern, der Gesundheitsfonds, ist fragwürdig. Man weiß immer weniger, warum ihn das Land eigentlich braucht. Bisher benötigen ihn vor allem Ulla Schmidt und Angela Merkel, weil er ihre gemeinsame Idee ist. Wird der Fonds beerdigt, werden beide politisch stark geschwächt. Das will keiner in der Koalition. Noch nicht.

© SZ vom 24.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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