Kommentar:Es geht um Gersters Kopf

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Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit gefährdet seine Verdienste durch lockere Auftragsvergabe.

Von Jonas Viering

(SZ vom 25.11.2003) — Ein wenig Blut ist im Wasser, und prompt kommen die Haie. Die Haut von Florian Gerster, Chef der Bundesanstalt für Arbeit, ist angeritzt. Seine Behörde hat ohne Ausschreibung einen Millionenauftrag für Kommunikationsberatung an eine bekannte Agentur vergeben. Ob die Leistung dem stolzen Preis entspricht, ist offen.

Der Gerster vorgesetzte Verwaltungsrat hat den Etatposten gesperrt und will zunächst vorsichtig prüfen. Das sieht nicht nach einer schweren Verletzung Gersters aus - doch darauf kommt es nicht an. Die Haie nähern sich von verschiedenen Seiten. Es sind Gewerkschafter dabei, denen sein Reformkurs schon immer missfallen hat.

Und es sind die Politiker von Union und FDP, die im Angriff auf Gerster die Chance sehen, die Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Regierung zu treffen.

Populistische Kritik

Die Kritik an der Höhe des Honorars ist populistisch - wer hohe Honorare attackiert, kann sich allgemeiner Erregung sicher sein. Es ist dies ein Beispiel von vielen für die latente Stimmungsdemokratie in Deutschland. Denn die Leistung, die es für das Geld gibt, ist möglicherweise durchaus kritikwürdig; nur kann dies derzeit noch niemand wirklich beurteilen.

Die Kritik ist damit vor allem scheinheilig. Es geht um Gersters Kopf, nicht um den Beratungsauftrag.

Nun hat Gerster vieles dafür getan, sich mit seiner gelegentlich selbstherrlichen Art unbeliebt zu machen. Zudem ist der Reformkurs der Bundesanstalt arg holprig. Aber grundsätzlich ist der Weg, den die Arbeitsämter nun gehen, der richtige. Bei allem Unverständnis über Gersters Eigenheiten sollte dieses große Verdienst, eine altmodische Mammutbehörde umzubauen, nicht vergessen werden.

Dieser Weg hat kaum begonnen, deshalb scheinen die Ziele - eine effektiv arbeitende Bundesanstalt im Dienste der Arbeitslosen, der Arbeitgeber und der Volkswirtschaft - noch weit entfernt. Es wäre übel, wenn die Bundesanstalt von diesem Weg abwiche: Dies dürfen Gersters Kritiker nicht erreichen.

Unverständlicherweise hat Gerster den Auftrag an die Kommunikationsberater nicht ausgeschrieben. Die Vertreter der Bundesanstalt halten das für nicht problematisch, und sie sagen das auch - was ironischerweise deutlich zeigt, dass hier nicht bloß Kommunikationsberatung Not tut.

Sollte sich herausstellen, dass der Verzicht auf eine Ausschreibung nicht rechtens war, sollte Gerster zurücktreten. Es gibt ein kleines juristisches Fensterchen, durch das er offenbar schlüpfen will. "Zwingende Dringlichkeit" des Auftrags, so die Vergabeordnung, kann eine Ausnahme von der Pflicht zur Ausschreibung oder zumindest öffentlichen Bekanntgabe rechtfertigen. Und der Handlungsdruck darf nicht vom Auftraggeber selbst verursacht sein.

Keine plausible Begründung

Doch die Bundesanstalt ist nicht in der Lage, diese angebliche Dringlichkeit wirklich plausibel zu begründen. Natürlich: Die Bundesanstalt stand unter großem öffentlichen Druck im April 2003, als der erste Auftrag über eine halbe Million Euro vergeben wurde (der zweite über 820.000 Euro ist nur der Anschluss-Auftrag für die Umsetzung des zuerst entwickelten Kommunikationskonzepts - als solcher kann er in der Tat ohne Ausschreibung vergeben werden).

Aber objektive Gründe, die ein sauberes Ausschreibungsverfahren von Anfang an unmöglich gemacht hätten, sind bislang nicht zu erkennen. Eine Ausschreibung ist keine lästige Formalie. Sie allein bietet einigermaßen die Gewähr, dass Leistungen und Preise im Wettbewerb stehen und dass idealerweise der Anbieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis den Zuschlag erhält.

Stattdessen entscheiden allzu oft die großen Namen der Auftragnehmer; dieser Verdacht liegt im Fall der Agentur WMP nahe. Diese war bislang eher für großes Lobbying in Berlin als für kleinteilige Intranet-Neugestaltung in Nürnberg bekannt. Gerster arbeitet mit dem Geld der Beitragszahler, also aller Arbeitnehmer. Das hätte ihn zu besonderer Sorgfalt verpflichten müssen. Diese Sorgfalt hat er vermissen lassen.

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