Kommentar:Es führt kein Weg zurück

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Trotz aller Probleme muss Amerika den Kampf gegen Terror und Anarchie in Nahost zu Ende führen.

Von Wolfgang Koydl

(SZ vom 9. September 2003) George Bush hat schon viele Reden gehalten, aber keine dürfte ihm so schwer gefallen sein wie seine jüngste Ansprache an die Nation. Ausgerechnet er, der im unerschütterlichen Vertrauen in seine und Amerikas Stärke den Irak und den Nahen Osten neu ordnen wollte, musste zu Kreuze kriechen und seine politischen Gegner und Kritiker daheim in Washington und draußen in der Welt um Hilfe bitten.

Eigentlich lässt sich die Rede auf zwei Worte eindampfen: Schwamm drüber. Dumm nur, dass es nicht der Präsident ist, der diesen Schwamm in der Hand hält.

"Optimismus mit einem Schuss Naivität"

Nein, leicht kann es Bush nicht gefallen sein, aber immerhin mag ihm die Überlegung geholfen haben, dass er keine andere Wahl mehr hat, als sich nach Beistand umzusehen. Von Gaza über Bagdad bis nach Afghanistan versinken seine hochfliegenden Pläne von einem sicheren und demokratischen Nahen und Mittleren Osten in den Rauchwolken von Autobomben und Minendetonationen.

Egal ob es - wie die New York Times schrieb - "Optimismus mit einem Schuss Naivität" war, der Bush trieb, ob Hochmut, Überzeugung oder eine Verkettung widriger Umstände, sicher ist eines: Zähneknirschend müssen sich die Neo-Radikalen in Washington eingestehen, dass auch der Weltmacht USA Grenzen gesetzt sind, und dass diese enger sind, als sie gemeinhin vermutet hätten.

Rollback statt Eindämmung

Doch was für Bush gilt, das trifft inzwischen ebenso auf die Vereinigten Staaten insgesamt, auf ihre europäischen Verbündeten und auf die muslimisch-arabischen Länder zu: Ihnen allen bleibt keine Wahl, als den mittlerweile eingeschlagenen Weg fortzusetzen, und sei er auch noch so gefährlich und mit Rückschlägen gepflastert.

Es gibt keine Alternative dazu, die Ideologie des Terrors an ihren Brutstätten zu bekämpfen. Die größte Bedrohung der freien Welt geht heute vom Todeskult islamistischer Terrorsekten aus, und es ist kein Zufall, dass Bush davon sprach, diese Gefahr "zurückzurollen". Rollback statt Eindämmung - das war schon das Rezept Ronald Reagans, das letztlich zum Zusammenbruch des Kommunismus führte.

Truppen-Abzug wird zur Frage nationaler Sicherheit

"Wir stecken im Irak fest", gestand sogar Howard Dean, Bushs unnachsichtigster Kriegsgegner im eigenen Land und nicht zuletzt deshalb der aussichtsreichste Bewerber der Demokraten für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat. "Aber wir haben keine Wahl, es ist eine Frage der nationalen Sicherheit. Wenn wir abziehen, ohne eine Demokratie aufgebaut zu haben, wird das in sehr bedeutsamen Gefahren für die Vereinigten Staaten resultieren", sagte Dean.

Das sehen auch andere demokratische Spitzenpolitiker so, und deshalb wird das Parlament Bush die geforderten zusätzlichen Mittel letzten Endes wohl genehmigen. Und vielleicht teilen diese Einschätzung auch die Wähler, deren Realitätssinn viel schärfer ausgeprägt ist, als Berufspolitiker ihnen zugestehen mögen. Hoffnung kann Bush daraus freilich nicht beziehen. Die Wähler mögen bereit sein, eine widerwärtige Suppe auszulöffeln. Doch das heißt nicht, dass sie den Koch behalten wollen.

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