Kommentar:Ein heikles Verbot

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Die Vorschläge für einen neuen Antrag gegen die NPD in Karlsruhe sind nicht durchdacht.

Helmut Kerscher

Es gibt gute Gründe, über einen Ausschluss der NPD aus der Öffentlichkeit nachzudenken. Und es gibt gute Gründe, über das Quorum einer Zwei-Drittel-Mehrheit bei einem Parteiverbot durch das Bundesverfassungsgericht nachzudenken. Es gibt aber überhaupt keinen guten Grund, das bestehende Gesetz nur wegen der NPD zu ändern und dann umgehend einen neuen Verbotsantrag in Karlsruhe zu stellen.

Genau darauf zielt der Vorschlag des SPD-Innenpolitikers Sebastian Edathy, die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit abzuschaffen. Ein solches Vorgehen entzöge einem Verbot schon im voraus die Legitimationsgrundlage. Denn ein Gesetz ist nicht irgendeine Form des staatlichen Handelns, es ist das zentrale Instrument eines Rechtsstaats, das nach einem komplizierten Verfahren abstrakte, generell gültige Regelungen trifft. Es ist also nicht dazu da, um einen ganz konkreten Sachverhalt zu ändern; Einzelfall- oder Maßnahmegesetze sind nur in seltenen Ausnahmen zulässig.

Die Verbotenen könnten zu Märtyrern werden

Doch davon abgesehen: Wie viel ist ein Verbot der NPD wert, das auf einer Ad-hoc-Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht beruht? Wenig, zumal ein Parteiverbot ohnehin die Gefahr in sich birgt, dass sich die Verbotenen zu Märtyrern hochstilisieren und dadurch noch mehr Anhänger gewinnen.

Eines der schlimmsten Szenarien wäre mithin ein Verbot der NPD nach einer Gesetzesänderung durch eine 5:3-Mehrheit der Richterstimmen. "Seht her!", würden die Extremisten rufen, "dieser angebliche Rechtsstaat musste erst seine Gesetze zurechtbiegen, um uns zu verbieten".

Bundestag darf seine Gesetze ändern

Andererseits kann ein Parlament prinzipiell immer seine eigenen Gesetze innerhalb der vom Grundgesetz gesteckten Grenzen ändern. Und es wäre im Kern auch verfassungsrechtlich kein Problem, das unglücklich formulierte Zwei-Drittel-Quorum zu ändern. Es läuft in Wirklichkeit auf eine Drei-Viertel-Mehrheit oder gar auf Einstimmigkeit heraus. Denn die Regelung stammt aus einer Zeit, als jeder Senat noch zwölf Mitglieder hatte.

Seit 1956 sind es acht, weshalb für ein Parteiverbot mindestens sechs Richterstimmen notwendig sind. Und weil sich das Quorum nicht auf die tatsächlich Abstimmenden bezieht, kann schon ein einziges Nein für das Scheitern eines Verbotsantrags genügen, wenn etwa ein Richter gerade ausgeschieden und ein anderer krank geworden ist.

Das ist ungut, aber nicht neu. Das Zwei-Drittel-Quorum steht seit Anfang der 50er Jahre im Gesetz. Was das konkret bedeutet, wurde allen Beteiligten bei der Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens 2003 bewusst. Gleichwohl haben sich die Kritiker damals mit Lamentieren und Richterschelte begnügt. Jetzt gibt es für die Verbotsanhänger nur noch zwei saubere Alternativen: Ein neuer Anlauf mit vollem Risiko - oder eine Gesetzesänderung, die jeden Anschein einer Lex NPD vermeidet. Das heißt: Man dürfte die Gesetzesänderung dann nicht sofort für das NPD-Verbot nutzen.

© SZ vom 14.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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