Kommentar:Braune Denkzettel

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Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) kann sich nicht auf seine Koalition verlassen.

Von Jens Schneider

Mit einem Denkzettel hatten seine Gefolgsleute gerechnet. Auch Georg Milbradt selbst war nicht so naiv, sich auf einen geschmeidigen Übergang in die neue Ära der sächsischen Politik zu freuen.

Zum ersten Mal nach 1990 wird in diesem Land eine Koalitionsregierung gebildet. Zum ersten Mal nach 14 Jahren muss Sachsens CDU, die seit der Wende das Land beherrschte, Macht abgeben.

Demontage als Ministerpräsident

Damit kommen einige Christdemokraten nicht zurecht. So war zu erwarten, dass Milbradts Wahl zum Regierungschef der neuen Koalition aus CDU und SPD im Landtag knapp würde. Drei, vier Stimmen weniger - damit hätte er leben können. Aber tatsächlich wurde er als Ministerpräsident demontiert.

In gleich zwei Wahlgängen versagten ihm die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen die geschlossene Zustimmung. Während man beim ersten Wahlgang noch hätte annehmen können, dass einzelne Abgeordnete - Stichwort Denkzettel - nur kurz aufmucken wollten, so wurde das Ergebnis mit dem zweiten Wahlgang zu einem klaren politischen Statement.

Immer mit Wackelkandidaten rechnen

Es reichte zwar, Milbradt zum Regierungschef zu wählen. Er wird künftig wohl auch weitere Abstimmungen überstehen. Und doch haben er und sein Kabinett keine sichere Mehrheit im eigenen Lager.

Sie werden immer wieder mit Wackelkandidaten rechnen müssen. Es wird unmöglich, eine klare politische Linie mit auch unpopulären Entscheidungen durchzusetzen. Damit ist Milbradts Stellung so geschwächt, dass diese Landesregierung mit denkbar schlechten Aussichten startet.

Aber nicht nur das: Der Ablauf der Wahl markiert fürs Erste das Ende der lange gepriesenen Stabilität in der Politik des ostdeutschen Musterlandes Sachsen.

Dies gilt um so mehr, da die doppelte Ohrfeige für Milbradt von einem handfesten Skandal begleitet wurde. Mindestens zwei Abgeordnete anderer Fraktionen - also aus dem demokratischen Lager - haben zweimal für den Kandidaten der NPD gestimmt.

Ein Eklat zum Schaden des Landes, denn sie demonstrierten in geheimer Wahl, dass ihnen die nötige Distanz zu den Rechtsextremisten fehlt, das selbstverständliche Wissen, dass man der NPD selbst aus taktischen Gründen nicht die Stimme geben darf.

Für Milbradt wiegt der Affront besonders schwer, weil die Heckenschützen insgeheim auf ihn zielten. Gegen die anonyme Attacke dürfte die geplante interne Aufarbeitung des Niedergangs der CDU wenig fruchten.

Er kann nicht einmal für sich hoffen, dass eine erfolgreichere Politik die Lage beruhigen wird. Schon jetzt setzt in der Wirtschafts- und Finanzpolitik Sachsen im Osten die Maßstäbe.

Die Demontage wiederfährt ihm absurderweise gleichzeitig zur Entscheidung der DHL-Ansiedlung in Leipzig - die Tausende Arbeitsplätze bringt. Was Milbradt als Fachmann für Wirtschaft und Finanzen dem Land auf seinem Feld liefern kann, das hat er gebracht. Was die Gegner in den eigenen Reihen sonst erwarten, kann er wohl nicht bieten.

© SZ vom 12.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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