Kommentar:Bizarres Treiben in Kiew

Die Ukraine wird mehr und mehr zu einem Schauplatz bizarrer Winkelzüge. Es gibt ein Oberstes Gericht, das sich Zeit lässt, einen Staatschef, der gleich die gesamte Präsidentenwahl wiederholen lassen will, ein Parlament, das Premier Viktor Janukowitsch per Misstrauensvotum zum Rücktritt drängt.

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Und nun strebt dieser auch noch an, die Stichwahl per Gericht für ungültig erklären zu lassen, die ja offensichtlich zu seinen Gunsten gefälscht wurde.

Allmählich droht bei all dem die Gefahr, dass die Menschen in der Ukraine den Überblick verlieren, schlimmer noch: die Nerven mit dazu.

Um den erbitterten Machtkampf in Kiew nicht ins Absurde und zugleich das Land an den Abgrund zu führen, sollten alle Konfliktparteien sich rasch auf eine Wiederholung der Stichwahl unter internationaler Aufsicht einlassen.

Dies wäre immerhin eine für die Ukrainer transparente Entscheidung und böte die Gelegenheit, der Demokratie doch noch zu einem Sieg zu verhelfen.

Fernduell mit Russland

Dass Janukowitsch in einem solchen Fall offenbar ohne große Chancen wäre und auch Präsident Leonid Kutschma kein Interesse an einem Nachfolger namens Viktor Juschtschenko hat, steht auf einem anderen Blatt. Dies aber müssten sie nun mal akzeptieren, wenn es ihnen wirklich um das Interesse der Nation ginge.

Und die Europäische Union, präsent in Kiew gleich mit einer ganzen Reihe gewichtiger Vertreter? Auch für sie ist der Konflikt längst zu einem Kräftemessen um Einfluss geworden, in einem Fernduell mit Russland nämlich. Ein Teilerfolg ist ihr dabei bereits gelungen.

Indem sie Kutschma beharrlich drängt, rechtsstaatliche Prinzipien einzuhalten, hat sie immerhin ihren Ruf als Festung demokratischer Werte zementiert.

© SZ vom 02.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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