Kommentar:Barrosos Paket

Lesezeit: 2 min

Geschickt und selbstbewusst stellt der neue EU-Kommissionschef sein Team zusammen.

Von Stefan Ulrich

Der künftige EU-Kommissionspräsident aus Portugal hat es schwerer gehabt als alle Vorgänger. Noch nie mussten so viele Kommissare zu einer Mannschaft zusammengestellt werden, und wohl noch nie waren so viele Empfindlichkeiten unter den Staaten zu beachten.

Große gegen Kleine, Alte gegen Neue, Marktwirtschaftler gegen Staatsgläubige - all das galt es auszutarieren. Nun hat Barroso sein Paket vorgelegt. Eines zumindest ist ihm dabei gelungen: die Präsentation samt Verpackung.

Kaum einer hatte damit gerechnet, dass der Portugiese schon diese Woche Vollzug melden würde. So durfte er zum einen den Überraschungseffekt genießen, zum anderen das Sommerloch als Resonanzkörper nutzen. Außerdem konnte der mit wenig Vorschusslorbeer gestartete Barroso erneut mit einem souveränen, sprachgewandten Auftritt punkten.

Inhaltlich könnte der Kommissionspräsident dagegen mit seinem Paket als gescheitert gelten - wenn man ihn an seiner eigenen Aussage misst. Ein Team aus 24 gleichberechtigten "Superkommissaren" wollte er zusammenstellen, und das musste natürlich misslingen.

Zu unterschiedlich sind die Portfolios. So wird der Deutsche Günter Verheugen als neuer Industriekommissar und Kommissions-Vizepräsident weit mehr Gewicht haben als etwa Jan Figel aus der Slowakei, der sich um Kultur kümmern darf.

Folgt man dagegen der Erkenntnis, dass Politik die Kunst des Machbaren ist, so hat sich Barroso achtbar geschlagen. Beispiel Verheugen: Berlin hatte - im Verbund mit Paris und London - darauf gedrungen, einen Superkommissar für die Wirtschaftspolitik zu schaffen, mit Weisungsbefugnis für andere Kommissare.

"Teamarbeit unter meiner Leitung"

Wäre Barroso dem gefolgt, stünde er nun als Befehlsempfänger der großen Drei da - und hätte schon verloren. So aber bedachte er Verheugen mit der Industrie: ein bedeutendes Ressort gewiss, geschmückt mit einer Koordinatorenrolle für den Wettbewerb. Doch ein Weisungsrecht erhält der Deutsche nicht. Ein Superkommissar sähe anders aus.

Geschick bewies Barroso auch, indem er den protektionslastigen Franzosen das honorige Verkehrsressort gab, sie aus dem Kernbereich der Wirtschaft aber heraushielt. Dort konnten andere punkten. So erhielt Tony Blairs Mann, der flamboyante Peter Mandelson, das Handelsressort - eine kluge Aufwertung der europhoben Insulaner.

Und die Tatsache, dass ein marktfreudiger Ire den Binnenmarkt bekam, dürfte den Briten ebenfalls gefallen. Auch die Neuen im Osten bekommen Gewicht. So wird die Polin Danuta Hübner für die milliardenschwere Regionalpolitik verantwortlich.

Eine wichtige Entscheidung Barrosos betraf ihn selbst. "In Teamarbeit unter meiner Leitung" werde gearbeitet, sagte er. Damit stellte er gegenüber ehrgeizigen Kommissaren wie Staaten die Rangfolge klar.

Die Kommission hat also noch nicht abgedankt im Machtgerangel der EU-Institutionen. Das ist die erfreulichste Überraschung in Barrosos Paket.

© SZ vom 13.08.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: