Kolumne:Letzter Fleck ohne Corona

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In Tirol steigt rund um Ischgl die Zahl der bestätigten Fälle weiter stark an. In Güssing hingegen gab es lange keine Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind - bis Donnerstag.

Von Valentina Resetarits

Wir befinden uns im Jahr 2020. Ganz Österreich ist vom Coronavirus betroffen. Ganz Österreich? Nein! Ein von offenbar immunstarken Burgenländern bevölkerter Bezirk hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.

Normalerweise würde ich diese Zeilen nicht als Einstieg bemühen. Aber erstens ist eine Hommage an den in dieser Woche verstorbenen Asterix-Zeichner Albert Uderzo (lesen Sie hier den Nachruf von Martina Knoben) derzeit durchaus vertretbar. Und zweitens: Was ist in diesen Zeiten schon normal?

Und so schreibe ich aus dem Home-Office in Güssing im Süden des Burgenlands - derzeit weist der Bezirk drei Corona-Fälle auf, bis Donnerstagabend war es die letzte Region Österreichs ohne registrierten Fall. Ein heller Fleck auf der Landkarte. Aber die Situation entwickelt sich dynamisch, wie es so schön heißt. Im Bezirk Güssing kommen nun laut offizieller Statistik des Gesundheitsministeriums 11,63 Coronafälle auf 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Im am stärksten in Österreich betroffenen Bezirk Landeck mit dem Skiort Ischgl (lesen Sie hier über die Fehler, die dort passiert sind) kommen auf 100.000 Einwohner mittlerweile 1.122,85 Fälle.

Als ich vor zehn Tagen München verließ, um kurz vor der Grenzschließung in meine Heimat "zu fliehen", wusste ich nicht, dass Güssing so lange verschont bleiben würde. Viel eher dachte ich mir: Wenn ich mich schon für mindestens einen Monat in meinem Zuhause verschanzen muss, dann besser im dünn besiedelten Osten Österreichs als in der deutschen Großstadt. Im Einfamilienhaus mit Garten in einem Bezirk, wo auf 26.000 Einwohner ein Dutzend Supermärkte und im Krankenhaus ein halbes Dutzend Betten auf der Intensivstation kommen, lässt sich der Lockdown besser aushalten. Ist Güssing also die Insel der Seligen? Nun ja, die Ausgangsbeschränkungen der Regierung gelten freilich auch hier: Das Haus darf nur für Arbeit, dringend notwendige Besorgungen, Hilfe für andere Menschen und Spaziergänge verlassen werden.

Die Güssinger befürworten wahrscheinlich wie der Rest Österreichs diese rigorosen Maßnahmen. Laut einer Gallup-Umfrage denken 88 Prozent, dass die politischen Vertreter richtig mit dem Coronavirus umgehen - das ist der höchste Wert, den eine Regierung in der 28 Staaten umfassenden Umfrage erreicht hat. Und allem Anschein nach halten sich die Österreicher auch daran. Das geht aus Bewegungsprofilen hervor, die der größte Mobilfunkanbieter A1 der Regierung zur Verfügung gestellt hat - ein nicht unumstrittener Schritt.

Auch die Güssinger haben ihre Gewohnheiten umgestellt. Wer sich auf der Straße trifft, tratscht höflich und kurz auf Abstand - man kennt sich schließlich. Und der ein oder andere empört sich dabei über Pensionisten, die zum Einkaufen gehen, anstatt sich einzubunkern. Dann verabschiedet man sich mit "Bleibt's gsund". Vielleicht blieb der Bezirk Güssing deshalb länger als jeder andere Ort coronafrei? Man schaut aufeinander - in jeder Hinsicht.

Dieser Text ist zuerst am 27. März 2020 im Österreich-Newsletter erschienen.

© SZ vom 28.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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