Kolumbien:Politischer Einfluss durch Pop

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US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama hätte ihn gerne in seiner Kampagne, Time zählt ihn zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt: Juanes, der kolumbianische Popstar.

Sebastian Schoepp

John Ferney Giraldo lebt in einem Elendsviertel der kolumbianischen Stadt Medellín mit 19 Verwandten unter einem Dach. Nur auf dem Fußballplatz kann der 17-Jährige der Enge entfliehen. Dort ist er Torwart, zuvor war er Stürmer. Das geht nicht mehr, seit eine Landmine ihm ein Bein wegriss. Manchmal, sagt John, scheine ihm sein Leben sinnlos zu sein. Doch dann bekommt er einen Anruf aus Los Angeles oder von anderswoher. Eine vertraute Stimme mahnt ihn, Schularbeiten zu machen.

Nicht nur in seiner Heimat ein Star: Juanes (Foto: Foto: Reuters)

Die Stimme gehört dem kolumbianischen Popstar Juanes, laut New York Times der wichtigste Sänger Lateinamerikas, zwölffacher Grammy-Gewinner, Kämpfer für die Freilassung der von Rebellen entführten Ingrid Betancourt, Träger des französischen Ordens der Künste. Seine Lieder singen Menschen in ganz Lateinamerika wie Hymnen, zuletzt auch an der Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien. Als die Kriegsrhetorik der beiden Staaten ausuferte, versammelte Juanes Hunderttausende weißgekleidete Fans zum Friedenskonzert unter dem Banner: "Weg mit den Grenzen!"

Da hatten sich die Politiker zwar schon geeinigt, gut möglich aber, dass Juanes' Konzertpläne dazu beigetragen haben. Time kürte ihn zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Die Unterstützung von Juanes zu haben sei ein unschlagbarer Bonus für Politiker, schreibt das kolumbianische Magazin Gatopardo. US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama hätte ihn gerne in seiner Kampagne. Dem Bürgermeister von Medellín, Alonso Salazar, verhalf er zur Wahl. Als Juanes Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe bat, nicht zum Friedenskonzert zu kommen, blieb der weg.

Tanzbare Musik mit klaren Botschaften

Kritiker werfen Juanes vor, seine Musik sei simpel und seicht. Sie mischt Pop mit Cumbias und Boleros, ist tanzbar und hat klare Botschaften. Der deutsche Punker Campino sang ein Duett mit ihm, "Bandera de Manos'', der wichtigste Song beim Friedenskonzert. "Wir sind der falschen Versprechungen müde'', heißt es darin. Dass Präsident Uribe nun erstmals in der Geiselfrage nachgeben will, ist auch auf den stärker werdenden Überdruss der Leute mit der bisherigen Politik der Unversöhnlichkeit zurückzuführen, dem Juanes Stimme verleiht.

Weltbekannt ist er mit seiner Platte "Mi sangre"(Mein Blut) geworden, und so heißt auch seine Stiftung, die Minenopfern Behandlung und Ausbildung finanziert. Jeden Tag treten in Kolumbien drei Menschen auf Minen, die Drogenhändler legen, um die Armee von ihren Kokafeldern fernzuhalten. Immer wieder unterstreicht Juan Esteban Aristázabal seine Verbindung mit Medellín, wo er 1972 geboren wurde und aufwuchs, als dort der Drogenboss Pablo Escobar wütete. Während auf den Straßen Paramilitärs, Dealer und Armee schossen, spielte Juan in einer Garage Heavy Metal.

In Medellín lebt er noch heute und kurvt, trotz der Entführungsgefahr, ohne Leibwächter auf seiner BMW durch die Stadt. Er gibt kleine Konzerte für Kinder, die Arme oder Beine verloren haben, verteilt Geschenke. Seinen schon abgenützten Fußball etwa hütet John Ferney wie einen Schatz. "Den gebe ich nie her'', sagt der Junge, "der ist von meinem Freund Juanes''.

Juanes im Video

© SZ vom 29./30.3.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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