Kohl-Ehrung:Loben ja, vereinnahmen nein!

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Das Who-is-Who der CSU feiert heute Helmut Kohl einmal mehr für seine Verdienste um die deutsche Einheit. Vor allem Edmund Stoiber lehnt sich dabei weit aus dem Fenster. Zu weit.

Bernd Oswald

Heute erhält Helmut Kohl den Franz Josef Strauß-Preis 2005, den die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung vergibt. Ausgezeichnet wird Kohl für seine Verdienste um die deutsche Wiedervereinigung vor 15 Jahren, passend zum Tag der Deutschen Einheit am kommenden Montag. Es ist das gute Recht der Hanns-Seidel-Stiftung, diesen Preis zu verleihen, auch wenn es nicht einer gewissen Ironie entbehrt, dass der Altkanzler einen Preis entgegennimmt, der nach einem Politiker benannt ist, der von Kohl keine besonders hohe Meinung hatte und ihm immer wieder das Politiker-Leben schwer machte. Aber das muss Helmut Kohl wissen.

Die Hanns-Seidl-Stiftung ist CSU-nah, Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hält den Festvortrag, und Kohls langjähriger Finanzminister und Ex-CSU-Chef Theo Waigel die Laudatio. Bisherige Preisträger sind ausschließlich konservative Politiker: Henry Kissinger, Jose Maria Aznar, George Bush sen., Viktor Orban und Roman Herzog. Insofern weiß man genau, wo man diesen Preis einordnen muss.

Kohls Verdienste sind unbestritten

Ja, Helmut Kohl hat die Gunst der Stunde genutzt, als die Mauer im November 1989 auf einmal gefallen war. Ja, Helmut Kohl bewies großes diplomatisches Geschick in den Verhandlungen mit nicht weniger als fünf Staaten, insbesondere mit der Sowjetunion, der er die Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands in der Nato abrang. Ja, Helmut Kohl hat einen maßgeblichen Beitrag geleistet, dass die deutsche Einheit in unvorstellbar kurzer Zeit verwirklicht wurde. All das ist sowohl national wie international weitgehend unbestritten.

Es sei den Unionsparteien auch zugestanden, diese Leistungen in warmen Farben zu malen und öfter darauf zu verweisen als nicht parteigebundene Menschen, auch wenn Kohl die Auszeichnungen, die er für sein Einsatz für die deutsche Einheit wahrscheinlich schon nicht mehr zählen kann.

In den Worten von Hans Zehetmair, dem Vorsitzenden der Seidl-Stiftung, hört sich die abermalige Lobpreisung so an: "Die Wiederherstellung der Deutschen Einheit in Frieden und Freiheit wird immer mit dem Namen Helmut Kohls verbunden bleiben. Diese Seite des Geschichtsbuchs wird niemand herausreißen können!".

Glorifizierung ist kontraproduktiv

Es gibt kaum ein Bild, das strapazierter und abgegriffener ist, als das von Helmut Kohl im Geschichtsbuch. Und auch kein bezeichnenderes, denn es entlarvt, dass es den Lobpreisenden nicht um die Sache, sondern um die Glorifizierung des Politikers Kohl geht. Und von seiner ach so historischen Leistung soll möglichst viel Glanz auf das christlich-soziale Lager abfallen.

Noch weiter geht CSU-Chef Stoiber, der Kohls Politik folgt bilanziert: "Vertrauen und Ansehen gewinnen für Deutschland ist und bleibt sein großer historischer Verdienst. Helmut Kohl hat einen festen Platz in den Herzen der Deutschen." Das klingt wie ein Platz im Herzen aller Deutschen. Edmund Stoiber weiß ganz genau, dass das nicht so ist, gar nicht so sein kann. Kein Mensch hat einen Platz im Herzen aller seiner Landsleute. Stoibers Vereinnahmung geht entschieden zu weit. Stopp, Herr Stoiber!

Ein so durchsichtiger Glorifizierungs-Versuch ist vollkommen unangemessen, weil er die anderen - nicht so glorreichen - Aspekte von Kohls Wirken ausblendet. Zum anderen schaden die Konservativen dem vermeintlichen Helden mit solchen Inszenierungen. Mit zunehmender Erhebung steigt auch der Grad der Verklärung. Damit nimmt die Polarisierung, die der Name Kohl auslöst, nur noch zu. Der Sache, dem Abbau der noch immer ungleichen Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland, ist damit nicht mit einem Jota gedient.

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