Koalitionsverhandlungen in entscheidender Phase:Mehrwertsteuer steigt am 1. Januar 2007

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Der Satz wird von 16 auf 19 Prozent erhöht. Darauf einigten sich Union und SPD in der Schlussrunde der Koalitionsverhandlungen. Heute sollen die Gespräche abgeschlossen werden. Doch noch stehen strittige Themen wie der Kündigungsschutz und die Atompolitik auf der Tagesordnung.

Die Mehrwertsteuer wird zum 1. Januar 2007 von 16 auf 19 Prozent steigen. Darauf haben sich nach Angaben aus Verhandlungskreisen Union und SPD in der entscheidenden Phase der Koalitionsgespräche am Donnerstagabend verständigt und einen Durchbruch erzielt. Der größte Teil der Mehreinnahmen soll in die Etatsanierung fließen. Mit dem Rest will die SPD den Rentenbeitrag senken, die Union möchte die Arbeitslosenversicherung verbilligen. Gestritten wird noch über Fragen wie den Kündigungsschutz und die Atompolitik. Der Koalitionsvertrag soll am 18. November unterschrieben werden.

16 Prozent Mehrwertsteuer zahlen die Deutschen bislang, 2007 werden noch einmal drei Prozent aufgeschlagen. (Foto: Foto: dpa)

Die Schlussrunde der Verhandlungen begann am Donnerstagnachmittag im großen Kreis im Konrad-Adenauer-Haus. Nach drei Stunden wurde die Sitzung für Beratungen der Parteichefs unterbrochen und gegen 21.30 Uhr fortgesetzt. Nach nur 90 Minuten vertagte sich die große Runde auf diesen Freitag. Im engen Kreis, der so genannten Entscheiderrunde, wurde aber weiterverhandelt. Angestrebt wird, die Gespräche heute abzuschließen. Anfang nächster Woche wollen CDU, CSU und SPD auf Parteitagen über den mehr als 100 Seiten starken Koalitionsvertrag entscheiden.

Neben dem Kündigungsschutz und der Frage des Atomausstiegs waren am Donnerstag zwei weitere Punkte besonders umstritten: Die Forderung der SPD nach einer "Reichensteuer", das heißt nach einem Steuerzuschlag für die Bezieher hoher Einkommen, und das Beharren der Union auf einer Deregulierung des Arbeitsmarktes. "Was für die Sozialdemokraten die Reichensteuer ist, das sind für uns die betrieblichen Bündnisse", sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef, Ronald Pofalla. "Am Schluss kommt möglicherweise beides nicht."

Trittin stoppt Eilgesetz

Mit den betrieblichen Bündnissen sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einer Firma tarifvertragliche Regeln aussetzen können, ohne dass die Gewerkschaften ein Vetorecht hätten. Dies wäre für den linken Flügel der SPD schwer zu akzeptieren und würde auch die Gewerkschaften verärgern.

Umgekehrt wird die "Reichensteuer" von weiten Teilen der Union abgelehnt. Als Alternative war daher wieder eine generelle Anhebung des Spitzensteuersatzes im Gespräch, womit der Eindruck einer Sondersteuer vermieden werden könnte. In Verhandlungskreisen hieß es, dass die Reform der Pflegeversicherung vertagt werde.

Union und SPD verständigten sich darauf, dass sie im nächsten Jahr keinen verfassungskonformen Haushalt vorlegen werden, sondern dies erst für 2007 anstreben. Demnach werden die Schulden 2006 deutlich über dem von Finanzminister Hans Eichel (SPD) ursprünglich angestrebten Niveau von 22 Milliarden Euro liegen. Die Finanzpolitiker beider Seiten hatten sich darauf verständigt, einen beträchtlichen Teil der Privatisierungserlöse von 32 Milliarden Euro, die Eichel für das nächste Jahr eingeplant hatte, auf 2007 zu verschieben.

"Sieg des Lobbyismus"

In der anstehenden Legislaturperiode wollen die künftigen Koalitionäre rund 25 Milliarden Euro in Forschung, Verkehr und Gebäudesanierung investieren. Einig sind sich Union und SPD auch über Maßnahmen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung im Bereich des Mittelstandes. So sollen Handwerkerdienstleistungen zeitlich befristet für zwei Jahre zu 20 Prozent bis zu einem Höchstbetrag von 3000 Euro von der Steuer abgesetzt werden können.

Die Grünen haben verhindert, dass Union und SPD kurzfristig ein wichtiges Steuerschlupfloch schließen. Umweltminister Jürgen Trittin verweigerte am Donnerstag die Unterschrift unter ein Gesetz, mit dem von diesem Freitag an die Vorteile für Steuersparfonds entfallen sollten. Darunter sind auch Fonds der Windkraftbranche. SPD-Kreise sprachen von einem "unglaublichen Vorgang" und einem "Sieg des Lobbyismus über die Politik".

Die Unterhändler von Union und SPD hatten vereinbart, eine Vielzahl von Steuervergünstigungen zu streichen, darunter die Abschreibungsmöglichkeiten für Windkraft-, Schiffs- und Filmfonds. Finanzminister Hans Eichel (SPD) hatte sodann das wohl letzte Gesetz der rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebracht. Die Minister sollten per Unterschrift im so genannten Umlaufverfahren zustimmen. Trittin lehnte dies ab und unterrichtete Eichel darüber am Mittwoch beim Abschiedsessen der alten Regierung. Im Finanzministerium hieß es, nun müsse die neue Regierung Ende November einen zweiten Anlauf unternehmen.

© SZ vom 11.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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