Koalitionsausschuss:Kompromisse bei Pflege und Mindestlohn

Lesezeit: 2 min

Die Koalition hat sich auf eine kleine Reform der Pflegeversicherung verständigt: Der Beitragssatz soll leicht steigen, Leistungen werden ausgeweitet. Beim Thema Mindestlohn wurde ein Minimalkonsens erzielt.

Die Spitzen der Großen Koalition haben sich bei der Pflegereform und beim Mindestlohn auf Kompromisse verständigt. Das teilten SPD-Chef Kurt Beck, der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber und Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) nach der mehr als siebenstündigen Sitzung des Koalitionsausschusses am frühen Dienstagmorgen in Berlin mit.

Beim Thema Mindestlohn verständigten sich Union und SPD bei ihrem Treffen in Kanzleramt darauf, über eine Ausweitung des Entsendegesetzes Lohnuntergrenzen in weiteren Branchen einzuführen. Bisher gibt es solche Begrenzungen nur im Baugewerbe und bei den Gebäudereinigern.

Laut Beck soll das Entsendegesetz auf solche Branchen ausgeweitet werden, die zu mindestens 50 Prozent tarifvertraglich organisiert seien. Er rechne damit, dass zehn bis zwölf Branchen über dieser 50-Prozent-Marke lägen.

Für Branchen, in denen es keine tarifvertragliche Bindung gebe, sollten künftig über einen Ausschuss Anträge auf einen Mindestlohn gestellt werden können. Der Bundesarbeitsminister könne diese Position dann für allgemeinverbindlich erklären. Dem Ausschuss sollten Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie ein neutraler Vorsitzender mit Stimmrecht angehören.

Zusätzliche Leistungen für Demenzkranke

Nicht einigen konnte sich die Koalition wie erwartet auf den von der SPD geforderten flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Beck betonte aber, die SPD strebe eine solche generelle Lohnuntergrenze weiterhin an. Wer vollschichtig arbeite, müsse davon auch leben können.

"Für uns war klar, dass es einen gesetzlichen Mindestlohn nicht geben wird", sagte CSU-Chef Stoiber nach den Beratungen. Beim Thema Mindestlohn sei das Machbare erreicht worden. Für die Union sei wichtig, dass ein Lohn von Arbeitnehmern und Arbeitgebern fixiert und nicht von der Politik definiert werde. Kauder sprach von einer "guten Lösung".

Positiv bewerteten beide Seiten die gemeinsamen Beschlüsse zur Pflegeversicherung. Der Koalitionsausschuss einigte sich darauf, den Beitragssatz zum 1. Juli 2008 um 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen, was bis etwa 2014/2015 in diesem Sozialversicherungszweig finanzielle Sicherheit gebe, teilte SPD-Chef Kurt Beck mit.

Im Gegenzug solle zum 1. Januar der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte sinken. Auf diese Weise werde es keine Steigerung bei den Lohnnebenkosten geben. Bei der Pflege soll es wie geplant zusätzliche Leistungen für Demenzkranke und für ambulante Pflege geben.

"Für Millionen Menschen bedeutet dies einen großen Fortschritt", sagte Beck. "Das ist ein guter Tag für alle Familien, die zu Hause pflegen", ergänzte Kauder. Die Leistungen würden ausgeweitet und die Qualität verbessert, betonte Stoiber. Die Reform gehe weit über die Neuerungen für Demenzkranke hinaus. Zugleich würden Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei den Sozialbeiträgen insgesamt sogar entlastet.

Keine Einigung beim Briefmonopol

Die Union konnte sich allerdings mit ihrer Forderung nach Aufbau eines zusätzlichen privaten Kapitalstocks nicht durchsetzen. Die SPD hatte dies nur akzeptieren wollen, wenn es zugleich einen Finanzausgleich zwischen gesetzlichen und privaten Pflegekassen gibt.

Dazu war die Union aus verfassungsrechtlichen Bedenken nicht bereit. Der nun ausgehandelte Finanzrahmen soll für die Pflegeversicherung laut Beck bis etwa 2014 ausreichen.

Derzeit beträgt der Beitragssatz 1,7 Prozent (1,95 Prozent für Kinderlose). Er wird je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen. Damit Rentner, die von geringeren Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung (derzeit 4,2 Prozent) nicht profitieren, nicht zusätzlich belastet werden, stellte die Koalition Rentenerhöhungen für 2008 in Aussicht.

Keine Einigung fanden die Koalitionäre beim Briefmonopol der Deutschen Post, das Ende dieses Jahres auslaufen soll. In diesem Punkt will die Koalition Beck zufolge zunächst abwarten, wie Europa sich insgesamt entscheide.

Die SPD hatte sich wiederholt dafür ausgesprochen, das Monopol zu verlängern, weil andere EU-Länder bei der Post-Liberalisierung nicht zeitnah mitziehen wollen. Die Union hatte dagegen betont, sie sehe keinen Handlungsbedarf.

Beck unterstrich, die Sozialdemokraten erwarteten beim Fall des Briefmonopols eine Gleichzeitigkeit in Europa. Im Lichte der Entwicklung in den anderen Ländern wolle die Koalition zu einem späteren Zeitpunkt erneut beraten.

© AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: