Klonen in Deutschland:Räumkommando

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Neues vom Nationalen Ethikrat: Eine Stellungnahme zum Klonen wird vorbereitet. Interne Dokumente und Sitzungs-Protokolle lassen darauf schließen, dass eine große Gruppe der Räte therapeutisches Klonen auch in der Bundesrepublik gestatten will.

Von Alexander Kissler

Gerade hat Großbritannien als erstes europäisches Land das Klonen menschlicher Embryonen erlaubt. Sollten die Experimente gelingen, will man die künstlich hergestellten Embryonen vernichten, um aus ihnen Stammzellen für die Forschung zu gewinnen.

Jeder erfolgreich geklonte Embryo erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eines Tages das erste geklonte Baby geboren wird. In Deutschland bereitet der Nationale Ethikrat der Bundesregierung eine Stellungnahme zum Klonen vor. Interne Dokumente und die Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen lassen darauf schließen, dass eine große Gruppe der Ethikräte das Klonen auch in Deutschland gestatten will.

2,14 Millionen Euro jährlich kostet der von Gerhard Schröder zusammengestellte Ethikrat. Selten dürfte ein Bundeskanzler sich mit einer derart bescheidenen Investition eine derart große Freude bereitet haben. Mit jeder Stellungnahme wächst sein Wohlgefallen.

Mögen Bundestag und bioethische Enquetekommission anderer Meinung sein, mag auch die Gesetzgebung nicht so recht voran schreiten - der 25-köpfige Ethikrat hält seinem Gründer die Treue. Bei den Stellungnahmen zur Embryonenforschung vom November 2001 und zur vorgeburtlichen Diagnostik vom Januar 2003 plädierte der Ethikrat ganz im Sinne Schröders für forschungsliberale, pragmatische Lösungen.

Ins Minderheitenvotum verbannt wurden die Warnungen vor einer Herabwürdigung des Menschen. Auch die neue Stellungnahme wird dieser Linie folgen: das "Klonen von Menschen zu Fortpflanzungszwecken" wird zwar einstimmig abgelehnt. Viele Ethikratsmitglieder begrüßen aber das "Klonen zu Forschungszwecken" und fordern die "Zulassung unter bestimmten Bedingungen".

Der Kanzler kommt am 23. September

Der Entwurf der Stellungnahme versucht sich auf rund 30 Seiten an einer "ethischen wie verfassungsrechtlichen Beurteilung des Klonens". Nach der Sommerpause soll die endgültige Fassung präsentiert werden - noch vor dem 14. September, wenn die Unterhändler bei den Vereinten Nationen abermals den Versuch starten, das Klonen zu ächten.

Der Kanzler wird neun Tage später, am Nachmittag des 23. September, seine Räte besuchen und so den Schlussstrich ziehen unter die Geschichte einer Stellungnahme, die schon heute ein Lehrstück ist in Sachen Diskurspolitik. Und wie nebenbei lassen sich die argumentativen und begrifflichen Etappen rekonstruieren, an deren Ende ein Hindernis namens Menschenwürde überwunden ist.

Auslösendes Moment für die neue Stellungnahme waren die südkoreanischen Klon-Versuche vom Februar 2004. Seit es tatsächlich möglich ist, menschliche Embryonen künstlich herzustellen, hat das Schreckbild geklonter Menschen an Dringlichkeit gewonnen.

Im Kapitel über das reproduktive Klonen war denn auch in einer frühen, auf den 13. Mai datierten Fassung die Rede von Scham, Empörung und Schaudern angesichts eines "als monströs empfundenen Tuns". Diese Formulierungen finden sich in der aktuellen Fassung vom 5. August nicht mehr. Statt dessen werden zwei Positionen gegenüber gestellt.

Die "gezielte Fabrikation von Menschen", heißt es, könnte das Selbstverständnis einer Gesellschaft gefährden, die auf die "Einmaligkeit und Unverfügbarkeit des Einzelnen" gegründet sei. Im nächsten Satz folgt der Einwand: "Dagegen wird jedoch geltend gemacht, dass es keinen Grund gibt, anzunehmen, ein Klon würde von seinen Mitmenschen nicht als frei und gleich akzeptiert. Die Anerkennung als Gleicher hängt in modernen Kulturen nicht von der Biologie des Menschen ab."

Tolerante Grenzziehung

Das große Teils-Teils ist das Bauprinzip der gesamten Schrift. Sie folgt dem Leitspruch des Molekularbiologen und Ethikratmitglieds Jens Reich, der die Arbeitsgruppe Klonen leitet. Reich hat unlängst recht kryptisch erklärt, die biomedizinische Forschung mit Menschen bedürfe "klarer und energischer Grenzziehung", doch "radikale weltanschauliche Entscheidungen" seien unangemessen.

Die Politik müsse "tolerante und sozialverträgliche Kompromisse erarbeiten". Reich ist neben dem Würzburger Juristen Horst Dreier und dem protestantischen Theologen Richard Schröder Wortführer jener Fraktion im Ethikrat, die das Klonen gutheißt. Die drei zeichnen im letzten Abschnitt der Stellungnahme für das "Pro-Votum" verantwortlich. Sie halten das Klonen zu Forschungszwecken für "prinzipiell vertretbar".

Das Plädoyer von Reich, Dreier und Schröder wurde im Lauf der Beratungen von Mai bis August 2004 mehrmals umformuliert. Am 25. Mai lautete der erste Satz, die "Herstellung von Stammzellen aus geklonten menschlichen Embryonen" sei "prinzipiell vertretbar, bedarf aber strikter Regulierung und Kontrolle". Gut zwei Wochen später schlug Jens Reich eine andere Begrifflichkeit vor.

"Das Prinzip der Gleichheit der argumentativen Waffen" gebiete es, den Begriff "geklonter Embryo" zu vermeiden: "Der allgemeine Sprachgebrauch ist nun einmal so, dass ,Embryo' einen sich entwickelnden Menschen meint, und das bringt das Pro-Votum von vornherein nomenklatorisch in die Defensive."

Eine Frage der Wortwahl

Reich empfahl, von "auf dem Wege des Klonens künstlich hergestellten Zellverbänden" zu reden. Im neu formulierten "Pro-Votum" ist das anstößige Wort getilgt; nicht Embryonen, sondern "menschliche Blastocysten" sollen geklont werden. Die Forderung nach einer keineswegs "strikt" genannten "Regulierung und Kontrolle" wanderte vom ersten Satz in den sechsten Abschnitt. Breit legt man dar, dass eine geklonte Blastocyste nicht nur kein Embryo, sondern auch keine Person und kein Träger der Menschenwürde sei, dass aber die "Verminderung oder Vermeidung von Leiden und Schmerzen ein moralisches Gebot" darstelle.

Den Skeptikern wird knapp entgegnet: "Ungewissheit ist Ausgangspunkt der Forschung und kein Argument gegen ihre Zulassung." Kaum umstimmen lassen werden sich davon die weniger weltanschaulich und stärker wissenschaftlich argumentierenden Klon-Gegner, angeführt von dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel, der Neurobiologin Regine Kollek und der Soziologin Therese Neuer-Miebach.

"Jeder Versuch", schreiben Kollek und Neuer-Miebach, "Frauen zur Eizellenspende aufzufordern, führt zu einer mit der Würde und Selbstbestimmung der Frauen unvereinbaren Instrumentalisierung ihres Körpers." Es werde nicht möglich sein, die Freiwilligkeit der Spende nachzuweisen.

Davon abgesehen sei das Klon-Verfahren fehlerhaft, ineffizient und viel zu teuer. Sinnvoll wäre es , "wenn der therapeutische Nutzen embryonaler Stammzellen grundsätzlich belegt wäre. Das ist jedoch nicht der Fall." Da Embryonen der menschlichen Gattung angehörten, müsse ihnen ein Lebensinteresse unterstellt werden. Dieses könne mit den "Interessen anderer Menschen" abgewogen werden, sofern deren Belange "konkret und unmittelbar" betroffen seien und eben nicht wie beim Forschungsklonen eine bloße Hoffnung.

Das relativierende "zunächst" fehlte in den ersten Fassungen

Man muss kein Prophet sein, um den Ausgang der Abstimmung zu ahnen. Die Position von Kollek, Neuer-Miebach und Vogel dürfte sich in der endgültigen Stellungnahme als Minderheitenvotum wiederfinden. Die "klare und energisch verteidigte Grenzziehung", die Jens Reich orakelhaft forderte, bedeutet eine Ablehnung des reproduktiven Klonens und ein Plädoyer für das Forschungsklonen - obwohl im ersten Teil der Stellungnahme auch die Apologeten des Klonens sich anhören müssen: "Beim Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken werden zunächst dieselben Techniken verwendet wie beim Klonen zu Fortpflanzungszwecken."

Das relativierende "zunächst" fehlte in den ersten Fassungen. Folgt man den Befürwortern, sollen Kontrollmechanismen dafür sorgen, dass das "gute" Klonen für die Forschung nicht ins technisch identische, "böse" Klonen für die Menschenzucht umschlägt. Reich, Dreier und Schröder belassen es beim Hinweis, die Implantation geklonter Embryos in die Gebärmutter sei "ausnahmslos zu verbieten".

Viele Hindernisse liegen vor dem Ethikrat, bis dessen Mehrheitswille zum Willen der Nation verschmolzen sind. Ein Platz an der Sonne des biotechnischen Fortschritts ist Gerhard Schröders und Wolfgang Clements vornehmstes Ziel, doch bereits die Wissenschaftsministerin verweigert die Gefolgschaft. Edelgard Bulmahn will am Verbot des Klonens nicht rütteln, und sie weiß fast den gesamten Bundestag hinter sich.

Ein Muster ohne Wert ist die Stellungnahme des Ethikrates dennoch nicht. Sie zeigt, dass jedes Weltbild als Wortbild beginnt. Über die Begriffe muss herrschen, wer neue Realitäten schaffen will. Ist aus dem menschlichen Embryo ein Zellverband geworden, ein Objekt wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Interessen, hat sich ein epochaler Wertewandel vollzogen. Was Mensch heißt, soll Ware werden, und die "menschenrechtsbasierte Sozialethik" der Klon-Gegner ist nur die Erinnerung an ein gebrochenes Versprechen.

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