Klimawandel:Deutschland heizt zum Fenster raus

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Jährlich werden Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt, weil Häuser schlecht gedämmt sind und Autos zu viel verbrauchen.

Von Michael Bauchmüller

Nein, Windräder würde Werner Lamke heute nicht mehr bauen. "Die Zeiten, als man uns noch brauchte, sind vorbei", sagt der Göttinger Lehrer. Zeiten wie zu Beginn der neunziger Jahre, als Lamke zusammen mit Nachbarn in der Göttinger Angerstraße 12a seine persönliche Energiewende einläutete: mit Solaranlagen auf dem Dach und einem Blockheizkraftwerk im Keller.

Immer noch werden in Deutschland Kohlekraftwerke wie das Cottbuser Werk Jänschwalde gebaut. (Foto: Foto: dpa)

Später errichtete der Energie-Verbund Angerstraße, kurz Eva, noch zwei Windräder am Stadtrand. Das aber soll es auch gewesen sein. Denn inzwischen, sagt Lamke, sind Bürgerinitiativen wie Eva nicht mehr nötig, um neue Energien voranzubringen: "Da hat sich wahnsinnig viel geändert. Das ist jetzt ein ganzer Wirtschaftszweig."

Endziel: Energiewende

Diese Entwicklung geht vor allem auf die Koalitionsvereinbarung aus dem Jahr 1998 zurück. Darin legt sich die rot-grüne Regierung auf das Ziel der "Energiewende" fest, auf das sie seither zäh hinarbeitet: mit Öko-Steuern, Atomausstieg, der Förderung erneuerbarer Energien und dem Emissionshandel.

"Für den Schutz des Klimas wird die neue Bundesregierung in allen Bereichen ihre Anstrengungen verstärken", heißt es im Koalitionsvertrag. Zumindest bei den erneuerbaren Energien tragen die Anstrengungen Früchte. "Alle reden über Klimaschutz, wir machen ihn", frohlockt Peter Ahmels, Präsident des Bundesverbandes Windenergie.

Ein Handeln freilich, das den "Windmüllern" aufgrund üppiger Subventionen nicht schwer gefallen sein dürfte. "Die erneuerbaren Energien leisten den größten Beitrag, um den internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz nachzukommen", sagt Ahmels.

"Kaum einer macht es"

Das hängt allerdings auch damit zusammen, dass andere Teile der Energiewende nicht halten, was sie einst versprachen. Wissenschaftler etwa sehen in höherer Energieeffizienz und sparsamerem Verbrauch das größte Potenzial für die deutsche Klimaschutz-Bilanz.

Verbrauchsarme Autos, Kraftwerke, die auch ihre eigene Abwärme nutzen, oder ordentlich gedämmte Häuser könnten bis 2020 mehr als 200 Millionen Tonnen Kohlendioxid sparen, rechnet das Wuppertal Institut vor. Zum Vergleich: Beim Emissionsrechtehandel einigten sich Wirtschaft und Regierung nach heftigem Streit darauf, den CO2-Ausstoß zunächst um zehn Millionen Tonnen zu senken.

Die Verbraucher hat die Regierung bislang noch nicht von der Wende überzeugen können. Allein der Verzicht auf die ständige Bereitschaft von Elektrogeräten - so genannte Stand-by-Schaltungen, die etwa per Fernbedienung Fernseher oder Stereoanlagen in Gang setzen - könne bis zu zehn Prozent des Haushaltsstroms sparen, wirbt die Initiative Energieeffizienz. "Eigentlich dürfte das kein Problem sein", sagt Thorben Becker vom Bund für Umwelt und Naturschutz. "Aber kaum einer macht es." Stattdessen wächst der Stromverbrauch weiter.

Energiewende in weiter Ferne

Wenig Engagement zeigen die Deutschen auch bei der Wärmedämmung, mit der sich viel Energie einsparen ließe. 90 Prozent aller Heizenergie in Deutschland wird nach wie vor in Gebäuden verbraucht, die 25 Jahre und älter sind. "Von einem sinkenden Verbrauch sind wir weit entfernt", sagt Ulf Moslener, Energieexperte beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Auch die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist leicht gesagt: Bei den wenigen Großkraftwerken, die derzeit in Deutschland geplant werden, handelt es sich überwiegend um Kohlekraftwerke. Die sind zwar wesentlich CO2-ärmer als vor dreißig Jahren. Von einer Wende in der Erzeugung kann aber keine Rede sein.

Im Gegenteil: Bisher ist völlig offen, wie sich jenes Viertel des deutschen Stroms, das derzeit aus Kernkraftwerken stammt, bis 2020 ersetzen lässt - ohne neue Klimakiller zu bauen. "Die tatsächliche Energiewende", so ZEW-Experte Moslener, "hechelt den Plänen aus Berlin und Brüssel noch weit hinterher."

© SZ vom 16.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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