Klimatechnik:Aus warm mach kalt

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Futuristischer Sonnensammler: Die Erfindung Augustin Mouchots bei der Weltausstellung 1878 in Paris. Die Illustration erschien in Le Monde Illustré. (Foto: imago)

Schon vor über 100 Jahren präsentierte der Franzose Augustin Mouchot eine Anlage, die Sonnenwärme in einen Eisblock verwandelte.

Von Andrea Hoferichter

Die Idee, mit Sonnenwärme Kälte zu produzieren, klingt absurd, ist aber uralt und Gold wert - im Sinne des Wortes. Auf der Weltausstellung 1878 in Paris gewann der Franzose Augustin Mouchot die Goldmedaille für eine Anlage, die über einen haushohen, silbernen Parabolspiegel Sonnenenergie sammelte und so Wasser in einen Eisblock verwandelte. Die solar erzeugte Kälte sollte den Soldaten in Frankreichs afrikanischen Kolonien das Leben erleichtern. Doch Mouchots Kältemaschine geriet schnell wieder in Vergessenheit, als neue Kohlequellen erschlossen und Stromnetze errichtet wurden.

Die Renaissance der umweltfreundlichen Erfindung kam mit der Ölkrise und der Diskussion zum Klimawandel. "Es ist ein kleiner, aber stetig wachsender Markt", sagt Geschäftsführer Uli Jakob vom Branchenverband Green Chiller in Berlin. Weltweit sind zurzeit mehr als 1200 solarthermische Kühlanlagen in Betrieb, die in der Regel mit konventionellen Flach- oder Vakuumröhrenkollektoren arbeiten. Drei Viertel davon stehen in Europa, die meisten in Spanien, Deutschland und Italien. Sie versorgen vor allem Wohn- und Bürogebäude, Hotels und Banken, aber auch Kliniken, Einkaufszentren, Fabrikhallen und Weinkellereien mit sonnengeborener Kälte. Mit spiegelgestützter, konzentrierender Solartechnik sind Anlagen in Indien, Australien und der Türkei ausgestattet.

Solarthermische Kältemaschinen funktionieren ähnlich wie klassische Kühlanlagen und enthalten ein Kältemittel, das der Umgebung Wärme entzieht, wenn es verdampft. Den Effekt der Verdunstungskälte kennt jeder, der schon mal vom Regen durchnässt im Wind gestanden hat. Als Kältemittel kommt oft Wasser zum Einsatz statt klimaschädlicher Fluorverbindungen wie in den meisten konventionellen Pendants. Die sonnenwärmegestützten Anlagen brauchen keine strombetriebenen Kompressoren, die den Kältemitteldampf wieder zur Flüssigkeit verdichten. Stattdessen kommen Stoffe zum Einsatz, die Wasserdampf förmlich aufsaugen, konzentrierte Salzlösungen zum Beispiel oder Silikagel, das etwa in Babywindeln steckt. Auch poröse Zeolith-Kristalle oder das stickstoffhaltige Gas Ammoniak sind geeignet. Die mit den Solarkollektoren eingefangene Sonnenwärme trocknet die Stoffe wieder, hält sie aufnahmefähig und damit den Kühlprozess in Gang.

"Es gibt zwei verschiedene Systemtypen", berichtet Jakob. In offenen Systemen wird, grob gesagt, von außen angesaugte Luft gekühlt und in geschlossenen Systemen Wasser, das in einem Rohrsystem zirkuliert. Und für beide gilt: Statt Wärme aus Solarkollektoren kann auch die Abwärme benachbarter Industrieanlagen oder von Blockheizkraftwerken zur Kälteproduktion genutzt werden.

Im Bereich der solaren Kühlung macht der Branchensprecher einen Trend zu großen Anlagen mit mehr als 500 Quadratmetern Kollektorfläche aus. "Die Amortisationszeit dieser Anlagen liegt unter zehn Jahren und macht sie für Investoren und Energiedienstleiter interessant", erklärt er. Das gilt naturgemäß vor allem für Gegenden, wo die Sonne besonders intensiv scheint, zum Beispiel in der arabischen Region, wie eine Studie der Umweltorganisation der Vereinten Nationen, UNEP, zeigt.

Doch auch für kleinere Anwendungen und für den Hausgebrauch kommen Jakob zufolge immer wieder neue Produkte auf den Markt, von Produzenten wie Purix aus Dänemark, SolabCool aus Holland, Meibes Systemtechnik aus Deutschland oder Solarinvent aus Italien. Auch hier hängt es vor allem von der Sonnenintensität und damit vom Standort ab, wann eine Anlage die Investitionskosten wieder eingefahren hat. "In Deutschland sind es zurzeit noch bis zu zwanzig Jahre", sagt er. In Mittelasien dagegen dauere es oft nicht einmal halb so lange.

Trotz aller Erfolgsmeldungen sind die Wachstumsraten in jüngster Zeit zurückgegangen. Und das liegt auch an der ebenfalls sonnengestützten Konkurrenz: konventionelle Klima- oder Kühlanlagen, die mit Strom aus einer Photovoltaikanlage betrieben werden. Die mit Solarstrom erzeugte Kälte ist in den vergangenen Jahren durch die sinkenden Preise für Solarmodule immer billiger geworden. "Wer ausschließlich kühlen möchte, ist mit dieser Variante in der Regel besser bedient", sagt Peter Schossig vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. Eine solarthermische Anlage, die nur wenige Monate im Betrieb sei und im Winter praktisch brachliege, rechne sich einfach nicht. Aber die Solarthermie kann punkten, wenn Wärme und Kälte zugleich benötigt werden. Besonders geeignet sind deshalb Krankenhäuser oder Hotels, weil sie sowohl klimatisierte Räume als auch Wärme für ihre Wäschereien brauchen.

"Die solarthermische Kühlung ist nach wie vor ein Nischenmarkt", resümiert Schossig. Dennoch sei sie sinnvoll und keinesfalls aus dem Rennen. "Wir bekommen hier am ISE immer noch alle paar Monate Anfragen zum Testen neuer Anlagen von verschiedensten Herstellern", berichtet der Forscher.

Und erst im Sommer vergangenen Jahres haben sich der schwedische Hersteller Suncool AB und die chinesische Zhon Fa Zhan Holding zusammengetan, um ein chinesisches Werk für die Fertigung neuartiger Vakuumsolarkollektoren zu bauen, mit in den Röhren integrierten Kühlaggregaten. "Dass hier Millionen Euro in eine neue Fabrik für innovative solarthermische Technik investiert werden, ist ein gutes Zeichen", sagt der Forscher.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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