Klimaschutz-Engagement der Kanzlerin:Große Worte, kleine Schritte

Lesezeit: 4 min

Sie hat sich die Rettung der Welt zur Aufgabe gemacht - alles nur ein Versuch im Geschichtsbuch zu landen? Wie grün ist Angela Merkel wirklich? Eine Ökobilanz.

Sarina Märschel

Die Kanzlerin mit dem grünen Daumen: Bei der Gartenarbeit kann die Kanzlerin am besten entspannen, verrät sie auf ihrer Homepage. Angela Merkel liebt alles, was grün ist - solange es nicht die Partei ist. Das fällt in den vergangene Monaten vor allem bei ihrer Themenwahl auf: Ob vor den Vertretern der Europäischen Union, den Staatschefs der mächtigsten Industriestaaten oder am Dienstagabend vor den Vertretern der ganzen Welt: In den vergangenen Monaten nutzte Angela Merkel jede Plattform, die sich ihr bot, um für den Klimaschutz einzutreten. Die Kanzlerin hat die Klimapolitik zur "Chefsache" gemacht.

Die Weltklimakanzlerin: Angela Merkel. (Foto: Foto: dpa)

Wie grün ist die Kanzlerin aber wirklich? Inwieweit Angela Merkel bislang in ihrer politischen Karriere als Kanzlerin zur Lösung von Umweltproblemen beigetragen hat, darüber sind die Meinungen geteilt.

Ein großes Interesse an der Klimapolitik hatte Angela Merkel schon als Umweltministerin von 1994 bis 1998 - und erfolgreich waren ihre Vorstöße damals auch.

Im eigenen Land fiel die Werbung schwer

Bei der UN-Klimakonferenz 1995 rang sie als Gastgeberin den Vertretern von 117 Nationen das Berliner Mandat ab. Die Erklärung besagte, dass die Staaten beabsichtigen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Das Papier sollte den Einstieg im Kampf um die Emissionsreduktion bilden. Merkel war erst seit kurzem Umweltministerin und bewies das Verhandlungsgeschick, das in den vergangenen Monaten zum Synonym ihrer Politik geworden ist.

Im eigenen Land fiel die Werbung für Emissionsreduktion schwer: In Merkels Amtszeit als Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit kamen Forderungen nach mehr Umweltschutz beim Verbraucher und der Industrie nicht gut an. Die Angst vor zusätzlichen Kosten beherrschte die Diskussion - keine gute Zeit, um sich mit dem Thema Weltklima zu profilieren. So scheiterte beispielsweise eine Initiative Merkels zur Eindämmung des Sommersmogs in Deutschland im Mai 1995 innerhalb des Kabinetts, es wurde später nur in sehr abgeschwächter Form umgesetzt.

Der Berliner UN-Klimakonferenz folgten 1997 die Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll. Dort setzte sich Merkel für vergleichsweise hohe Reduktionsziele ein. Zu Hause warf der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) der Bonner Regierung zu dieser Zeit "Stillstand und Ausverkaufsstimmung" in der Umweltpolitik vor. Die Opposition behauptete, die Bundesregierung habe in der Umweltpolitik abgedankt. Und die Kommission in Brüssel stand kurz davor, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen, weil sie Öko-Richtlinien der Gemeinschaft nicht in nationales Recht umsetzte.

Umweltschutz nur, wenn er nützt

Das Gutachten, das der Umwelt-Sachverständigenrat Angela Merkel Anfang 1998 überreichte, bescheinigte ihr einen Reformstau in der Umweltpolitik. Wegen der wirtschaftlichen Lage tendiere die Bundesregierung dazu, den Umweltschutz nur zu verbessern, wenn dabei keine Kosten entstünden, bemängelte der Vorsitende der Expertenkomission, Eckard Rehbinder.

Trotz aller Kritik: Die Kommentatoren räumten ein, dass Merkel versuchte, das Mögliche zu erreichen. Unter einem Kanzler Helmut Kohl, den die Problematik langweilte, war erfolgreiche Umweltpolitik schwer möglich. Angela Merkel als Pragmatikerin. Wieder einmal.

In ihrer Zeit als Oppositionsführerin ergriff die CDU-Chefin dann engagiert Partei gegen die rot-grüne Ökosteuer, ansonsten blieb sie in dieser Zeit still in Sachen Umweltschutz. Das lag aber wohl in erster Linie daran, dass das Thema Umwelt in der CDU - wenn überhaupt - zu den Randgebieten gehörte. Die gängige Meinung war, dass schwarze Wähler sich nicht für Klimafragen interessieren. Wieder einmal kein guter Zeitpunkt, um sich mit Klimapolitik profilieren zu wollen.

Merkel nutzt die Gunst der Stunde

Als Kanzlerin hat Merkel das Potential erkannt und genutzt, das hinter dem Thema steckt. Und sie versteht es, die Bürger für die Klimaproblematik zu sensibilisieren. Wenn die Kanzlerin nach Grönland reist und alarmierende Berichte über kommende Naturkatastrophen um die Welt gehen - dann wächst das Interesse an Umweltpolitik auch bei CDU-Anhängern. Und nicht nur bei denen.

Angela Merkel hat die Gunst der Stunde genutzt und sich zur Weltklimaretterin aufgeschwungen. Ihr erklärtes Ziel: Eine Verminderung der Treibhausgase um 50 Prozent bis 2050. Ihr Einsatz für den Klimaschutz brachte international Erfolge: Die EU verpflichtete sich auf dem Frühjahrsgipfel zu verbindlichen Klimaschutzzielen, außerdem konnte Merkel den US-Präsidenten George W. Bush immerhin dazu überreden, Klimaschutz weiter im Rahmen der Vereinten Nationen zu betreiben. Allerdings wollen die USA sich nicht zu niedrigeren Emissionen verpflichten lassen, sie setzen auf freiwillige Absichtserklärungen.

Umweltschutzorganisationen wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sind mit solchen Ergebnissen nicht zu befriedigen: Der NABU gab der Kanzlerin im Juni die Note Drei für ihren G-8-Auftritt und attestierte außerdem eine magere Ökobilanz der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Und der BUND beklagte schon lange vorher, in seiner Jahresbilanz 2005, in ihren ersten Monaten im Amt hätte die neue Kanzlerin Autobahnen eingeweiht, ohne das geringste Interesse an einer umweltgerechten Verkehrspolitik zu zeigen.

Politik auf vermintem Gelände

Schon beim Amtsantritt von Angela Merkel als Umweltministerin im Jahr 1994 kommentierte die Süddeutsche Zeitung: "Umweltpolitik ist Politik auf vermintem Gelände. Frau Merkel muss (...) einer hellwachen und hochsensiblen Lobby der Wirtschaftsverbände Paroli bieten können." Daran hat sich nicht viel geändert: Sich gegen die Lobbys durchzusetzen, ist ein hartes Stück Arbeit. Die konkreten Schritte zur Senkung des CO2-Ausstoßes im eigenen Land sind klein, und der Weg ist beschwerlich. Bis das eigene Land zum Vorbild in Sachen Klimaschutz wird, hat Merkel noch viele Kämpfe auszufechten: Deutschland rangiert in den Top Ten der Länder mit dem höchsten CO2-Ausstoß auf Platz sieben und stellt damit viele andere EU-Staaten in den Schatten.

Merkel wirkt glaubwürdig in ihrem Engagement für den Klimaschutz. Etwas angeschlagen wird diese Wirkung freilich durch Äußerungen wie im Februar 2007, als sich Merkel schützend vor die deutschen Autobauer stellte: Kein einheitlicher CO2-Grenzwert für Auto-Emissionen, kein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Der einheitliche Grenzwert stand allerdings ohnehin nicht zur Diskussion.

Angela Merkel hat eine Politik der kleinen Schritte angekündigt - sie zieht dieses Konzept auch in ihrer Klimapolitik durch. Die Kanzlerin ist schon immer eine Pragmatikerin. Und eine Frau, die gerne und gut vermittelt, die Kompromisse sucht.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drängt die Mitglieder der Vereinten Nationen zum Klimaschutz mit den Worten: "Was wir nicht haben, ist Zeit." Angela Merkel - und das nimmt man ihr ab - hat erkannt, dass Ban Ki Moon damit recht hat. In ihrer Videobotschaft vom Wochenende wandte sie sich mit drastischen Worten ans Volk: "Wir alle spüren angesichts von extremen Wettersituationen, Überschwemmungen und Dürrekatastrophen, Waldbränden und Hungersnöten, dass der Klimaschutz eine globale Aufgabe ist, die uns alle angeht."

Merkel meint damit vor allem die Staaten, die Industrieländer ebenso wie die Entwicklungsländer. Alle müssten Verantwortung übernehmen. Und auch Deutschland seit dazu bereit, seinen Beitrag zur Lösung der Probleme zu leisten. Wie der Beitrag aussehen wird, bleibt abzuwarten. Er wird wohl mit kleinen Schritten anfangen. Aber kleine Schritte bringen immerhin Bewegung.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: