Klausurtagung:Kleine Details in großer Runde

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Bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe soll das ganze Kabinett dafür sorgen, dass keine Pannen mehr passieren.

Von Andreas Hoffmann

Er schaute ein wenig müde aus, als er auf dem Kiesweg im Schlosspark von Neuhardenberg stand. Die Augen zu Schlitzen verengt, die Haare leicht verwuschelt. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement machte nicht den frischesten Eindruck, als er am Samstagmittag vor der Presse über die Regierungsklausur berichtete. Vielleicht lag es an der kurzen Nacht, denn einige Kabinettsmitglieder - unter ihnen auch Clement - hatten den offiziellen Sitzungsteil nachgearbeitet, bei Bier und Wein in der schlosseigenen Kneipe.

Vielleicht weilte Clement bei seinem Auftritt vor den Journalisten auch einfach nur in Gedanken. Denn der Samstagvormittag der Klausur war ihm vorbehalten gewesen. Nach der grundsätzlichen Diskussion von Freitagabend wollten sich die Minister den Sachthemen widmen. Das hieß vor allem: Hartz IV, also die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die im Januar 2005 in Kraft treten soll.

Absinken auf Sozialhilfeniveau

Langzeitarbeitslose sollen dadurch besser betreut werden und schneller einen Job erhalten. Die Arbeitslosenhilfe wird zu Gunsten des Arbeitslosengeldes II abgeschafft, was vielen Hilfeempfängern Einbußen beschert. Das Arbeitslosengeld II liegt oft niedriger als die heutige Arbeitslosenhilfe und sinkt nach einer Übergangsfrist auf das Sozialhilfe-Niveau ab.

Fragen über Fragen

Soweit die großen Überschriften. In ihrer Klausur diskutierten die Minister vor allem über die kleinen Details: Steigt nicht die Bürokratie enorm, wenn die Betroffenen genauestens ihre Vermögensverhältnisse anhand detaillierter Fragebögen nachweisen müssen? Kann die Bundesagentur für Arbeit überhaupt rechtzeitig die Reform umsetzen? Wieso klagt die Industrie über fehlende Ingenieure, wenn zugleich zehntausend Ingenieure arbeitslos sind? Was passiert in Regionen mit vielen Arbeitslosen, wenn dort die Jobs fehlen, wie etwa im Osten?

Neue Entscheidungen traf die Runde nicht. Ein zusätzliches Programm für Langzeitarbeitslose soll es nicht geben, auch nicht mehr Geld für Investitionen in den Kommunen. Clement appellierte nur an Städte, Gemeinden und Unternehmen, mehr Jobs zu schaffen. Dazu soll sich das Kabinett in eine Controlling-Stelle wandeln, bei der alle Minister die Umsetzung von Hartz IV begleiten. Kommunikationspannen soll es diesmal keine geben. Sozialministerin Ulla Schmidt sagte: "Die Reform kann Wolfgang Clement nicht allein schaffen, da muss das Kabinett an einem Strang ziehen."

Daneben machte der Wirtschaftsminister Hoffnung.

Ausführlich referierte er über den sich gut entwickelnden Außenhandel. Automobilindustrie, Maschinenbau und Chemieindustrie seien weiter Weltspitze, und selbst die Textilindustrie behaupte sich auf den Weltmärkten. Der Anstieg der Exporte habe sich gefestigt, und auch der steigende Ölpreis müsse nicht zwangsläufig die Konjunktur gefährden. So gab sich auch der Kanzler optimistisch und meinte, 2005 könne die Wirtschaft um zwei Prozent wachsen.

Gesetzentwurf zur Kinderbetreuung

Ansonsten debattierte die Koalition über die Pläne von Familienministerin Renate Schmidt zur Kinderbetreuung. Am Mittwoch will das Kabinett einen Gesetzentwurf beschließen, der die Kommunen verpflichtet, bis 2010 die Kinderbetreuung zu verbessern. Geplant sind mehr Krippenplätze und der verstärkte Einsatz von Tagesmüttern. Daneben will Schmidt den Kinderzuschlag für Arme weiterentwickeln. Doch Streit ist programmiert. Das Geld für die Kinderbetreuung soll aus der Arbeitsmarktreform kommen, die Kommunen halten diese Mittel aber für zu niedrig. Für das Zukunftsthema Bürgerversicherung war keine Zeit. Dazu geht das Kabinett im Herbst in Klausur. Dann jedoch in Bonn.

© SZ vom 12.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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