Kirchliches Arbeitsrecht:Bis dass das Gericht entscheidet

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Darf die katholische Kirche einem Arzt kündigen, weil er wieder geheiratet hat? Ein langer Rechtsstreit geht bald zu Ende.

Das Bundesarbeitsgericht verhandelt erneut über die Frage, ob ein katholisches Krankenhaus in Düsseldorf einem Chefarzt kündigen durfte, weil er nach seiner Scheidung erneut heiratete. Seit Jahren wandert dieser Streit durch die Gerichtsinstanzen; sogar das Bundesverfassungsgericht hat sich schon damit befasst. Am Donnerstag soll ein abschließendes Urteil fallen.

Der Rechtsstreit hängt mit dem Sonderstatus der Kirchen im Arbeitsrecht zusammen. Im Grundgesetz hat der Staat den Kirchen im Jahr 1949 zugestanden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Entstanden ist in der katholischen Kirche ein Arbeitsrecht, das strenge Anforderungen auch an das Privatleben der kirchlichen Mitarbeiter stellt. Danach kann unter anderem gekündigt werden, wer sich entgegen der kirchlichen Lehre scheiden lässt und dann standesamtlich erneut heiratet.

So auch im konkreten Fall des Chefarztes, der nach seiner zweiten Eheschließung von seiner Klinik die Kündigung erhielt. Allerdings: Vor Gericht erhielt der Mediziner zunächst recht. Alle Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht entschieden aus unterschiedlichen Gründen, dass die Kündigung unwirksam sei. Die Erfurter Richter argumentierten beispielsweise im Jahr 2011, dass die Kirchen von ihren Beschäftigten zwar grundsätzlich ein loyales Verhalten verlangen könnten. Die Klinik habe aber bei protestantischen Kräften nach einer zweiten Heirat nicht zum Mittel der Kündigung gegriffen.

Damit wollte sich der kirchliche Arbeitgeber nicht abfinden und zog vor das Bundesverfassungsgericht. Das kassierte das Erfurter Urteil, weil es die Begründung für verfassungswidrig hielt. Karlsruhe stärkte das kirchliche Arbeitsrecht: Staatliche Gerichte dürften sich nicht in die Kompetenz des kirchlichen Gesetzgebers einmischen und definieren, wie weit die Loyalitätsforderungen der Religionsgemeinschaft gehen, so die Richter im November 2014. Arbeitsgerichte dürften dieses "kirchliche Selbstverständnis" nur eingeschränkt überprüfen. Im konkreten Fall des Chefarztes müssten die Bundesarbeitsrichter beurteilen, wie das kirchliche Recht auf Selbstbestimmung mit den Grundrechten des Arbeitnehmers auf Familie und eigene Lebensgestaltung abzuwägen sei.

Ob die Kündigung Bestand hat, ist also völlig offen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Chefarzt eine besonders strenge Loyalitätsklausel unterzeichnet hatte, die neben einer zweiten Heirat auch das bloße Zusammenleben mit einer anderen Frau ausgeschlossen hatte. Der Mediziner pocht auf Vertrauensschutz, weil er nach seiner Scheidung lange mit seiner jetzigen Frau ohne Trauschein zusammengelebt und der Arbeitgeber dies gewusst und geduldet habe.

Unübersichtlich wird der Rechtsstreit auch dadurch, dass die katholische Kirche 2015 ihr Arbeitsrecht liberalisiert hat. Die strengen Loyalitätsanforderungen gelten nur noch für verkündigungsnahe kirchliche Berufe. Rein rechtlich darf das zwar keine Rolle spielen; maßgeblich bleibt das damals gültige strengere Arbeitsrecht. Psychologisch aber könnte diese Entwicklung die Richter durchaus beeinflussen. Insgesamt sieht etwa der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller eine schwindende Macht der Kirche bei der Regelung ihrer Arbeitsverhältnisse.

© SZ vom 27.07.2016 / KNA - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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