Kirchhof:Sie hat sie, sie hat sie nicht

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Paul Kirchhof ist der Star im so genannten Kompetenzteam von Angela Merkel. Doch das TV-Duell am Sonntag hat den Streit um die Veröffentlichung seiner Liste mit 418 Steuervergünstigungen, die gestrichen werden sollen, weiter angeheizt.

Angela Merkel hatte sich in der Fernsehdiskussion mit Bundeskanzler Schröder trotz Nachfragen geweigert, zur Kirchhof-Liste Stellung zu nehmen. Stattdessen hatte sie auf ein Steuerberatungsbuch mit dem Titel "1000 legale Steuertricks" verwiesen, wo Beispiele solcher Steuervergünstigungen zu finden seien.

Gibt sich in Sachen Kirchhof-Liste verschlossen: Angela Merkel (Foto: Foto: AP)

Diese Haltung hat Merkel am Montag in Berlin nochmals bekräftigt: "Ich kenne die Liste nicht. Ehrlich gesagt interessiert sie mich insofern auch nicht, als ich mich mit den Ausnahmen befasse, die wir abschaffen." Bereits darüber habe sie "viele Diskussionen zu führen", sagte Merkel offenbar mit Blick auf die im Wahlprogramm der Union genannte Kappung der Pendlerpauschale sowie die geplante Streichung der Steuerfreiheit für die Schichtzulagen. "Das ist schon ne ganze Menge", räumte Merkel ein. Den Vorwurf der Geheimniskrämerei wies sie zurück.

Auch Kirchhof weigert sich bislang, die Liste zu veröffentlichen. Mitarbeiter Kirchhofs sagten, die Liste liege bei der Union, die CDU-Bundesgeschäftsstelle behaupte aber, sie habe diese Liste nicht.

"Dreiste Wählertäuschung"

Führende SPD-Politiker sprachen von einer "dreisten Wählertäuschung" Merkels. "Die angeblich 418 Steuervergünstigungen müssen vor der Bundestagswahl auf den Tisch", verlangte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Er warf der Union vor, entscheidende Daten für ihr steuerpolitisches Konzept vor der Wahl geheimzuhalten. Die Wähler hätten aber "ein Recht auf Transparenz und Wahrhaftigkeit.

SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter nannte es im Sender n-tv "unehrlich und unaufrichtig", dass die Kirchhof-Liste von Merkel "unter dem Teppich gehalten werden soll". Die SPD wirft der Union vor, sie wolle vor allem Steuervergünstigungen wie Pendlerpauschale und Steuerfreiheit von Schichtzulagen streichen, die bislang Arbeitnehmern zugute kommen. Dagegen blieben Besserverdienende nach den Unionsplänen verschont.

Kritik auch von den Grünen

Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer äußerte die Vermutung, CDU/CSU wollten unter anderem künftig das Arbeitslosengeld I besteuern. Bütikofer sagte nach einer Sitzung des Grünen-Parteirats in Berlin unter Berufung auf Angaben aus dem Kreis der Länderfinanzminister, von den Streichungen könnte auch die steuerliche Absetzbarkeit außergewöhnlicher Belastungen etwa für die Pflege von Angehörigen betroffen sein.

Zudem wolle Kirchhof offenbar Gesundheitsleistungen dem vollen Mehrwertsteuersatz unterwerfen. Dazu kämen die von der CDU/CSU ohnehin geplanten Belastungen bei der Pendlerpauschale und der Steuerfreiheit von Schichtzulagen, die entfallen soll. "Kirchhof entwickelt sich für die Union zu einer Art Bumerang, der Frau Merkel um die Ohren fliegt", sagte Bütikofer.

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