Kirchenpolitik:Papst, Patriarch, Putin

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Franziskus fällt es leicht, Gräben zu überwinden. Doch auch wenn dem Pontifex viel an einem guten Verhältnis zur russischen Orthodoxie gelegen ist, muss er wissen: Kyrills Kirche ist Wladimir Putins Kirche. Dessen Nationalchauvinismus ist ausgesprochen unchristlich.

Von Stefan Ulrich

Von den zahlreichen Ehrentiteln, die dem Papst in Rom zukommen, passt dieser wohl am besten auf Franziskus: Pontifex maximus - oberster Brückenbauer. Dank seiner leutseligen Art und Nonchalance tut sich Franziskus leicht, auf andere zuzugehen und Gräben zu überwinden. Dies konnte er am Freitag durch sein Treffen mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill zeigen, der ersten Zusammenkunft dieser Art in der Kirchengeschichte. Franziskus reiste dafür sogar nach Kuba, dem alten Vorposten Moskaus in der Karibik. Die Begegnung war so, in gewisser Weise, als Heimspiel für Kyrill angelegt.

Nun ist die Kontaktfreude des Papstes eine Stärke. Wenn die Chemie stimmt zwischen zwei Menschen, fällt es leichter, Probleme zu lösen. Und Franziskus ist ein begnadeter Beziehungschemiker. Er muss jedoch aufpassen, dass es nicht zu Synthesen kommt, welche die Botschaft seiner Kirche zersetzen. Mit Kyrill und dessen Orthodoxen teilt Franziskus einiges: die Angst um die Christen im Nahen Osten, den Einsatz für Ehe und Familie, die Sorge vor einem Ausverkauf der Werte in der kapitalistischen Welt. Nur: Es gibt auch Trennendes zwischen den beiden Hirten - jedenfalls sollte es das geben.

Das beginnt beim Kirchenverständnis. Das Wort "katholisch" kommt aus dem Griechischen und bedeutet "allumfassend". Die katholische Kirche empfindet sich als Weltkirche, die für alle Menschen eintritt. Kyrill steht dagegen einer Konfession vor, die das Wort "russisch" im Namen trägt. Nach ihrem Verständnis wirken Nationalstaat und (Staats-)Kirche harmonisch zusammen.

Das bedeutet: Kyrills Kirche ist Wladimir Putins Kirche. Der russische Präsident versteht es, sich als Beschützer der Orthodoxen zu inszenieren und seine kriegerische Großmachtpolitik mit Tradition und Weihrauch der Orthodoxen aufzuhübschen . Kyrill hilft dabei mit. Er segnet Putins autoritäre Führung und großrussische Ideologie ab, akzeptiert dessen Angriffe auf die Ukraine und bewertet die russischen Militärschläge an der Seite des syrischen Diktators Baschar al-Assad als gerechten Krieg.

Dem Papst wiederum ist viel an einem guten Verhältnis zu Moskau gelegen. Er möchte Fortschritte in der Ökumene machen, und das geht mit den Orthodoxen manchmal leichter als mit den Protestanten. Auch steht Franziskus - der aus dem US-kritischen Argentinien kommt - Putins Konzept einer multipolaren Welt näher als dem Weltmachtanspruch der Vereinigten Staaten. So hielt der Papst im Ukraine-Konflikt Äquidistanz, anstatt, wie es Johannes Paul II. gewiss getan hätte, die russische Aggression zu verurteilen. Im Syrien-Konflikt half Franziskus dabei mit, einen US-Angriff auf das Assad-Regime zu verhindern. Wo bleibt nun eine klare Verurteilung der russischen Schützenhilfe für Assad samt der Vernichtung der Stadt Aleppo mit ihren vielen Einwohnern?

Franziskus soll auf andere Konfessionen zugehen, aber er muss auch Grenzen aufzeigen. Der Nationalchauvinismus Putins, der in der russisch-orthodoxen Kirche verwurzelt ist, ist ausgesprochen unchristlich. Jesus lehrte nicht, das goldene Kalb der Nation anzubeten. Auch die Hetze gegen Minderheiten, die Gängelung von Kritikern, versteckte Drohungen mit Atombomben und Versuche, Unfrieden in demokratischen Gesellschaften zu schüren, sind unvereinbar mit der Lehre des Religionsgründers.

Der Papst sollte berücksichtigen: Wo Kyrill draufsteht, ist auch Putin drin. Und es hilft wenig, wenn einer Brücken baut, die die anderen nicht beschreiten.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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