Kindesmissbrauch:Sonderermittler im Fall Lügde

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Ermittler suchen auf dem Campingplatz in Lügde nach Spuren, Kinder sollen hier über Jahre missbraucht worden sein. Die Polizei sieht sich jetzt heftiger Kritik ausgesetzt, weil Asservate verschwunden sind. „Ich bin fassungslos“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul. (Foto: Christian Mathiesen/dpa)

Innenminister Reul lässt das Verschwinden von Beweisstücken untersuchen. Ein Koffer und 155 Datenträger wird vermisst.

Es gibt neue Ungereimtheiten im Missbrauchsfall Lügde: Im Rahmen der Ermittlungen wegen des Verdachts des vielfachen Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz bei Detmold ist seit mehreren Wochen Beweismaterial verschwunden. Ein Koffer und eine Hülle mit 155 Datenträgern würden seit dem 20. Dezember in der Kreispolizeibehörde Lippe vermisst, teilte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul am Donnerstag in Düsseldorf mit. Vier Sonderermittler seien eingesetzt worden, um das Verschwinden aufzuklären. "Man muss hier klar von Polizeiversagen sprechen", sagte der CDU-Politiker. Kurz zuvor hatte der Minister bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik den Kampf gegen Kindesmissbrauch als "eine der größten Aufgaben der nächsten Zeit" bezeichnet.

Vier Sonderermittler seien eingesetzt worden, um das Verschwinden aufzuklären. Das Fehlen der Asservate sei erst am 30. Januar bemerkt worden. Nur drei CDs seien davon bisher ausgewertet worden. Ob auf den Datenträgern mit 0,7 Terabyte Speicherplatz auch kinderpornografisches Material war, sei daher unklar.

Der größte Teil von 15 Terabyte Filmmaterial war von den Ermittlern aber bereits gesichert worden. Wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Verbreitung von Kinderpornografie sitzen als Hauptverdächtige ein 56-Jähriger aus Lügde, ein 33-Jähriger aus Steinheim und ein 48-Jähriger aus Stade in Niedersachsen in Untersuchungshaft. Bislang sind 31 minderjährige Opfer im Alter zwischen vier und 13 Jahren identifiziert. Sie kommen zum Großteil aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch eine Anzeige im November 2018. Zusätzlich zu den Ermittlungen gegen die Tatverdächtigen und mehrere Jugendämter steht auch die Polizei in der Kritik. Gegen zwei Beamte wird laut NRW-Innenminister Reul wegen Strafvereitelung ermittelt. Es werde genau geprüft, ob sie die Tatverdächtigen möglicherweise persönlich kannten. Warum die Datenträger aus dem Raum in der Polizeibehörde Lippe verschwunden sind, konnte Reul zunächst nicht sagen. Er wollte Vorsatz nicht ausschließen.

Bereits 2016 sollen zwei Hinweise auf sexuellen Missbrauch bei der Polizei Lippe eingegangen sein. Nach Telefongesprächen mit den Zeugen leiteten die Polizeibeamten die Hinweise an das zuständige Jugendamt weiter. Weitere Schritte blieben aber aus. Die Staatsanwaltschaft Detmold ermittelt deshalb auch gegen die Polizei. Gegen eine weitere Person wird wegen des Verdachts der Datenlöschung ermittelt. Gegen diesen Verdächtigen führt die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung. Geprüft wird, ob die Person Daten für einen der drei Hauptverdächtigen gelöscht hat und ob damit eine Bestrafung verhindert werden sollte

© SZ vom 22.02.2019 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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