Kelly-Untersuchungsausschuss:"Gilligan würde in der Scheiße sitzen"

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Auszüge aus dem Tagebuch des Blair-Beraters Alastair Campbell erlauben einen Blick hinter die Tür von Downing Street 10 - und lösen einen Sturm im britischen Blätterwald aus. Campbell, so ist sich die Presse einig, hat Verteidigungsminister Hoon ans Messer geliefert.

Alastair Campbell, der zurückgetretene engste Berater von Premierminister Tony Blair, hat den Briten einen Blick hinter die Tür in der Downing Street 10, ins Zentrum der Macht, ermöglicht.

Wie es dort zugeht, zeigen Auszüge aus dem Tagebuch des Blair-Beraters. Es sind nur zwei Seiten, noch dazu stark zensiert, die der britischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden - doch schon das reichte, um einen Sturm im britischen Blätterwald zu entfachen.

Demnach fluchen die Spitzen der Regierung, sinnen auf Rache und spinnen Intrigen. Das ist der Klartext, den die Briten jetzt nachlesen können, nachdem sie bei der Kelly-Untersuchung über fünf Wochen nur die Zunftsprache der Politiker und Juristen gehört hatten.

Die Auszüge aus dem geheimnisumwitterten Tagebuch Campbells datieren aus der ersten Julihälfte, als sich der Waffenexperte David Kelly, ein Angestellter des Verteidigungsministeriums, intern als Quelle für einen regierungskritischen Irak-Bericht des Senders BBC zu erkennen gab.

Campbell, zu jener Zeit in eine erbitterte Schlacht mit der angeblich "Irak-freundlichen" BBC verwickelt, kam das wie gerufen. Er glaubte, dem unliebsamen BBC-Reporter Andrew Gilligan nun Fehler nachweisen zu können: "GH (Verteidigungsminister Geoff Hoon) und ich stimmen darin überein, dass Gilligan in der Scheiße sitzen würde, wenn das die Quelle ist."

"Die Sprache eines Schlägertypen"

Das sei "die Sprache eines Schlägertypen", schreibt der Daily Telegraph. Doch noch viel brisanter ist der Inhalt.

Von Rechts bis Links stimmen die Zeitungen darin überein, dass Campbell seinen Freund Hoon damit ans Messer geliefert hat.

Am Montagvormittag hatte der Verteidigungsminister bei der richterlichen Untersuchung zu Kellys Selbstmord noch Stunde um Stunde geschildert, wie besonnen und rücksichtsvoll er mit "Doktor Kelly" umgegangen sei.

Die Tagebuch-Auszüge beweisen nach Einschätzung der Presse das Gegenteil. Campell zufolge war Hoon "fast genauso in Rage wie ich".

An einer Stelle heißt es: "(Regierungsberater Sir David) Omand meinte, der Typ (Kelly) müsse korrekt behandelt werden. GH (Geoff Hoon) und ich meinten, uns würde da eine gute Chance entgehen." Und einen Tag später: "Mehrfach mit Geoff H. über die Quelle (Kelly) gesprochen. Waren der Meinung, wir müssten das über die Zeitungen rausbringen." Das, so kommentiert die Financial Times, sei wohl der "letzte Schlag" für Hoons politische Karriere.

Gleichzeitig fragt man sich natürlich mit dem Independent: "Warum um alles in der Welt hat es Campbell zugelassen, dass diese Auszüge der Untersuchung vorgelegt wurden?" Es gibt vielleicht zwei Gründe. Der wichtigste: Campbell hat seinem Herrn und Meister damit einen letzten Dienst erwiesen. Denn Tony Blair erscheint in dem Tagebuch als Stimme der Vernunft. Immer wieder ruft er Campbell und Hoon zur Mäßigung auf und plädiert für eine faire Behandlung von Kelly.

Der zweite Grund: Der mittlerweile arbeitslose Campbell hat damit auf die denkbar werbewirksamste Weise einen Vorgeschmack auf einen potenziellen Bestseller gegeben. Als ein Helfer des Untersuchungsleiters Lord Hutton darauf hinwies, Mr. Campell habe die Aufzeichnungen einzig und allein für sich selbst angefertigt, erhob sich denn auch spöttisches Gelächter.

(sueddeutsche.de/dpa/Christoph Driessen)

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