Kasernen:Bettennot und Liegenschaften

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Nur wer jünger als 25 ist, hat Anspruch darauf, hier zu schlafen: Stockbetten in der Leopold-Kaserne im oberpfälzischen Amberg. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Bundeswehr soll künftig wieder größer werden. Darum will die Truppe Gebäude, aus denen sie eigentlich abziehen sollte, nun doch behalten. Dabei hatten die betroffenen Städte große Pläne für die Immobilien.

Von Mike Szymanski, Berlin

Hartmut König, Bürgermeister von Boostedt, hatte einen großen Plan für seine Gemeinde in Schleswig-Holstein. Nachdem 2015 die letzten Bundeswehrsoldaten aus der Rantzau-Kaserne abgezogen waren, sollten auf dem 100 Hektar großen Areal Wohnungen entstehen, es sollte Gewerbe angesiedelt werden und vor allem die Feuerwehr in eines der alten Kasernengebäude umziehen, in jenes mit der Bezeichnung "N1". Es geht um Investitionen in Gesamthöhe von 40 Millionen Euro und 300 Arbeitsplätze. Es geht auch um ein Leben nach der Bundeswehr.

Doch dann kam im Frühjahr Post aus dem Verteidigungsministerium in Berlin - so ganz wolle sich die Bundeswehr nun doch nicht zurückziehen. Haus "N1" werde wieder gebraucht. Seither ist Bürgermeister König nicht mehr gut auf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, von der CDU wie er, zu sprechen. Er fühle sich behandelt wie der "Dorftrottel". Die Bundeswehr geht und kommt.

Es ist gerade mal sieben Jahre her, dass die Politik die Devise ausgegeben hat: Die Bundeswehr muss kleiner werden. Damals verfügte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), dass 31 Standorte dichtmachen müssten, Dutzende sollten drastisch verkleinert werden. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht wurde die Zahl der Soldaten in der Bundeswehr von 250 000 auf maximal 185 000 reduziert. Weniger Mann, weniger Kasernen. Aber das gilt jetzt schon wieder nicht mehr.

München, Koblenz, Eckernförde: Auf 30 Arealen wird das Militär womöglich doch bleiben

Gerade erst hat von der Leyen einen Entwurf für die "Konzeption der Bundeswehr" vorgelegt, wonach die Landes- und Bündnisverteidigung wieder gestärkt werden solle, weil es unruhiger in der Welt geworden ist. Die Zahl der Soldaten soll bis 2024 auf 198 000 erhöht werden. Am Mittwoch hat das Ministerium eine Teilliste mit Liegenschaften veröffentlicht, bei der sich die geplante Abgabe entweder verzögert, sie nochmals überprüft oder gar aufgegeben wird. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung geht es um insgesamt etwa 30 Liegenschaften, auf die die Bundeswehr doch wieder ein Auge geworfen hat. Etwa die Hälfte davon soll sie bereits zur weiteren Verwertung an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben abgegeben haben, die wiederum in vielen Fällen bereits mit Kommunen in konkreten Verhandlungen steht. Boostedt ist dafür ein Beispiel. Deshalb spricht Bürgermeister König auch von einer "gewissen Arroganz", mit der seine Pläne von oben nun wieder zunichte gemacht würden.

In etlichen Kommunen ist die Unsicherheit zurück. In Baden-Württemberg stehen laut Liste das Materiallager Hardheim und die Luftverteidigungsanlage Meßstetten wieder zur Prüfung an - Entscheidungen sollen bis Ende 2019 fallen. Voraussichtlich. In Bayern soll das Verwaltungszentrum der Wehrbereichsverwaltung Süd in München "für Zwecke der Bundeswehr" weitergenutzt werden, Status: "keine Rückgabe". Dies gilt auch für die Peter-Bamm-Kaserne im niedersächsischen Munster, zwei Liegenschaften in Koblenz und eine Kaserne in Eckernförde an der Ostsee.

Für Hans-Peter Bartels, den Wehrbeauftragten des Bundestages, macht die Bundeswehr es richtig. "In der Vergangenheit sind zu viele Kasernen und Kasernenteile abgegeben worden. Das muss nun korrigiert werden", sagt er. Die Truppe brauche mehr Platz. Viele Soldaten pendelten. Wer älter als 25 Jahre ist, sei nicht berechtigt, in einer Kaserne zu wohnen. Diese Soldaten bekamen Plätze, solange es freie Betten gab. Nun aber müssen ältere Soldaten Platz machen für jüngere. In manchen Städten miete die Bundeswehr auf dem privaten Markt Wohnungen an. "Ich gehe von einem Bedarf von 20 000 bis 30 000 zusätzlichen Betten aus", sagt Bartels: "Seit 2014 ist bekannt, welche Aufgaben wieder auf die Bundeswehr zukommen. Dass jetzt erst geprüft wird, wie viel Platz die Bundeswehr braucht, kommt spät." Auch die Kommunen hätten einen Anspruch darauf zu wissen, wie es weitergeht.

Der Deutsche Städtetag ist längst alarmiert. Dessen Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagt: "Wenn der Bund möglicherweise wieder von langfristigen Verkaufsabsichten bei Kasernengeländen Abstand nimmt, wäre das für die betroffenen Städte problematisch. Bisherige Planungen kämen zum Stillstand und Perspektiven für die Nachnutzung liefen ins Leere." In vielen wachsenden Städten und Regionen fehlt es an bezahlbaren Wohnungen. Die Frage, wie viel Platz die Bundeswehr beanspruchen kann, ist eine hoch politische. In Boostedt muss Bürgermeister König ein anderes Grundstück für seine Feuerwehr suchen. Gut eine Million Euro wird er mehr ausgeben müssen, als wenn er das Gebäude der Kaserne hätte haben können. "Wir haben verloren", sagt er.

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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