Karikaturen:Der Diktator schrumpft zum Pavian

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Afrikas Herrscher empfinden es als Hochverrat, karikiert zu werden - der Kenianer Gado tut es trotzdem.

Von Michael Bitala

Angenommen, ein weißer Karikaturist zeichnet einen schwarzen Diktator als wildgewordenen Affen, als fetten Pavian, der auf dem Rücken eines halbverhungerten Afrikaners hockt und diesem mit einer Keule den Schädel einschlägt. Der Aufschrei wäre gewaltig. "Übelster Rassismus", würde man dem weißen Künstler vorwerfen, einen Rückfall in die Zeiten des Kolonialismus.

Als die kenianische Tageszeitung Daily Nation dieses Bild 2003 veröffentlichte, ist von alldem nichts geschehen. Außer lautem Gelächter bei den Lesern sind keine weiteren Reaktionen bekannt. Warum auch? Der Mann, der Simbabwes Diktator Robert Mugabe zum Affen gemacht hat, heißt Gado und ist ein schwarzer Künstler, genauer gesagt: Er ist der bekannteste Karikaturist in Ost- und Zentralafrika. Derjenige, der mit seiner täglichen Zeichnung oft mehr aussagt als alle Zeitungsberichte zusammen.

Nun gibt es natürlich viele Karikaturisten in Afrika, Künstler, die ebenso hervorragend zeichnen können wie Gado, Künstler, die ihre Kritik ähnlich witzig präsentieren. Aber dennoch hat Gado eine gewisse Sonderstellung auf dem Kontinent.

Der 38-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Godfrey Mwampembwa heißt und aus Tansania stammt, macht sich seit vielen Jahren lustig über die Mächtigen in Kenia und im Rest der Welt, er entblößt sie nicht nur, er reißt ihnen Masken und Kleider vom Leib und zeigt sie in ihrer Lächerlichkeit. Und das ist - trotz mancher Demokratisierungstendenz in Afrika - noch immer eine grandiose Unverschämtheit. Afrikanische Karikaturisten sind schon für weit weniger Aufmüpfigkeit im Kerker gelandet.

Wer lacht, hat die Macht

Um Gados Leistung richtig zu interpretieren, muss man wissen, dass es zumindest in den autoritär regierten Ländern Afrikas ein eisernes Gesetz gibt: Niemand darf sich über die Herrschenden lustig machen, schon gar nicht öffentlich.

Den Staatschef zu karikieren, grenzt an Hochverrat. Dieses Verbot gilt nicht nur für Regierungen, es zieht sich durch die Gesellschaft bis ins kleinste Dorf. Wer lacht, hat die Macht, heißt es, und jeder, der versucht, Hierarchen der Lächerlichkeit preiszugeben, kratzt an deren Stellung. Das ist in diesen zumeist streng konservativen Gesellschaften verpönt, hier wird viel mehr Wert auf Tradition, Alter und Geschlecht gelegt als auf eigene Leistung und Individualität.

"Gepriesen und Vergöttert

Der Karikaturist Gado weiß dies natürlich, und genau das ist ja auch das Ziel seiner bitterbösen Angriffe: "Unsere politischen Führer in Afrika werden von den meisten Menschen mit Ehrfurcht behandelt", sagt er, "unsere Herrscher sind daran gewöhnt, gepriesen und vergöttert zu werden". Das wolle er ändern. "Ich liebe es, mich über sie lustig zu machen."

Das klingt heute einfacher, als es in Wirklichkeit war. So hat Gado den früheren kenianischen Präsidenten Daniel arap Moi schon karikiert, als sich selbst Diplomaten in den Restaurants von Nairobi nicht trauten, dessen Namen auszusprechen. "M O One" hieß er in den Neunzigern, als Oppositionelle und Kritiker von Mois Schergen gefoltert wurden, mitten in der Stadt, abwechselnd im Keller und im Dachgeschoss eines Hochhauses.

Gado aber zeichnete Moi. Zunächst nur von hinten, dann drehte er ihn um und zeigte ihn in seiner Macht- und Geldsucht, in seiner Brutalität. Selbst 2002, kurz vor dem Regierungswechsel in Kenia, erregte es noch die Aufmerksamkeit von CNN, als Gado in einem Bild zur Oscar-Verleihung Moi als "Besten Diktator" betitelte - weil ihm seine ursprüngliche Version "best director", also bester Regisseur, viel zu harmlos erschien.

Die Welt mit einem afrikanischen Blick

Warum dieser Mann so mutig ist und vor allem, warum er scheinbar unbegrenzte Narrenfreiheit in Kenia genießt, erschließt sich zumindest nicht, wenn man ihn trifft. Dazu wirkt er mit seiner runden Brille, seinem Bärtchen, seinem T-Shirt und seiner Jeans viel zu normal. Und dann verhält er sich auch noch so, als wäre es die größte Ehre für ihn, interviewt zu werden. Dabei werden seine Karikaturen weltweit geschätzt.

Er hatte schon Ausstellungen in Europa, in den USA und Japan, außerdem veröffentlichen Le Monde oder Washington Times regelmäßig seine Werke. Das Besondere daran ist, dass Gado "die Welt mit einem afrikanischen Blick" sieht, wie er sagt. Und da sich die Welt nunmal eher wenig für Afrika interessiert, kann er als Außenstehender den Nahost-Konflikt, Osama bin Laden oder George W. Bush weit bissiger kommentieren als seine Kollegen in Europa oder in den USA.

Bei einem solchen Interview, es war kurz vor dem Regierungswechsel in Kenia, war Gado so aufgeregt wie seit langem nicht mehr. Damals zeichnete sich ab, dass Moi endlich abgewählt, dass die Opposition an die Macht kommen würde. "Über wen soll ich mich noch lustig machen", fragte Gado damals ratlos, "wenn diejenigen, die ich immer unterstützt habe, regieren?" Es war so ähnlich wie in Deutschland, als Kohl verlor, Schröder Kanzler wurde und alle Kabarettisten Existenzsorgen plagten.

Die Furcht war in beiden Ländern unbegründet, aber Gados Enttäuschung über den Moi-Nachfolger Mwai Kibaki und dessen inkompetentes und hoch korruptes Kabinett sitzt tief. "Ich glaube, es ist mindestens so schlimm wie damals", sagt er heute, "nein, ich glaube, es ist noch schlimmer geworden". Der Titel seines neuen Buches über das Leben in Kenia sagt dann auch alles: "The end of an error - and the beginning of a new one."

Wütende Anrufe und tobende Minister

Dass Gado mit seiner Arbeit unangreifbar geblieben ist, liegt wohl daran, dass er einen mächtigen Unterstützer hat. Die Daily Nation ist im Besitz des auch in Kenia sehr einflussreichen Aga Khan, sie war schon zu Zeiten von Moi das einzige Blatt, das man unabhängig nennen konnte. "Meine Chefs standen immer zu mir", sagt Gado.

Trotzdem gab und gibt es natürlich jede Menge Beschwerden, vor allem, wenn er - was er seit Jahren tut - das Kabinett als prügelnde Bande darstellt, als eine Gruppe rangelnder, fetter Bälger, die sich die Taschen so mit Geld vollgestopft haben, dass ihnen die Scheine links und rechts aus den Jacken quillen. Faxe, Mails, wütende Anrufe und tobende Minister ist er deshalb seit langem schon gewohnt, doch in jüngster Zeit, sagt Gado, werde der Druck anders ausgeübt. "Das findet hinter den Kulissen statt, da wird auf den Herausgeber und den Chefredakteur eingewirkt."

Zensiert aber wurden bis heute nur wenige seiner Karikaturen, zum Beispiel diejenige, die Moi mit einem kritischen britischen Botschafter am Flughafen zeigt. Der Diplomat steigt in die Maschine, und der Staatschef zeigt ihm den Mittelfinger. Doch auch, wenn diese Bilder in der Nation nicht veröffentlicht wurden, sind sie trotzdem weltweit zugänglich, auf Gados Homepage gadonet.com.

Die Idee übrigens, Mugabe zum Affen zu machen, stammt nicht ganz von Gado. Er hat sie sich ein bisschen abgeschaut, sagt er, bei einem britischen Karikaturisten. Der zeichnete nicht den simbabwischen Diktator als Pavian, sondern Tony Blair. Und was der kann, dachte sich Gado, kann ich noch viel besser. "Weiße Karikaturisten dürfen nun mal keinen Afrikaner als Affen zeichnen."

© SZ vom 11.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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