Kanzlerfrage:Tag der Entscheidung

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Das zweite Spitzengespräch ist zu Ende, wieder herrscht Schweigen. Die Parteichefs Merkel und Müntefering wollen heute um 9 Uhr die Präsidien von Union und SPD informieren. Zwei Stunden später treffen sich die vier wieder - um zu entscheiden, wer Kanzler wird.

Nach dreieinhalb Stunden hinter verschlossenen Türen gingen die Parteivorsitzenden Franz Müntefering (SPD), Angela Merkel (CDU), Edmund Stoiber (CSU) und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am späten Sonntagabend auseinander, ohne Stellungnahmen abzugeben. Es wurde Stillschweigen vereinbart. Die vier Spitzenpolitiker hatten im Raum "Niedersachsen" der Parlamentarischen Gesellschaft nahe des Reichstags verhandelt.

Das Warten der Medien vor dem Berliner Reichstag (Foto: Foto: Reuters)

Merkel und Müntefering wollen sich um 9 Uhr zunächst in ihren Parteipräsidien Rückendeckung für die bisherigen Absprachen holen. Um 11 Uhr soll es ein weiteres Spitzengespräch geben. Erst danach will man endgültig beschließen, ob es Koalitionsverhandlungen gibt. Anschließend sollen die Vorstände von SPD, CDU und CSU - die größeren Führungszirkel der Parteien - informiert werden.

Koalitionsverhandlungen könnten schnell beginnen

Drei Wochen nach der Bundestagswahl hatte die SPD im Ringen um eine große Koalition mehr Zeit verlangt. Nach Aussage von Müntefering sollte es in dem Spitzengespräch am Sonntagabend entgegen der Planungen noch keine abschließenden Festlegungen geben. Nach dpa- Informationen sollte dabei ein entscheidungsreifer Vorschlag für die Parteigremien ausgehandelt werden.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte sich am Sonntag Abend überzeugt geäußert, dass beide Seiten den Gremien eine Einigung präsentieren könnten. "Die werden heute Nacht auch zu einer Einigung kommen", sagte die SPD-Politikerin, die an den vorangegangenen größeren Sondierungsrunden teilgenommen hatte, in der ARD.

Widerstand in SPD-Fraktion gegen Merkel

In der SPD gab es weiterhin Widerstand gegen eine Kanzlerschaft der CDU-Kandidatin Merkel. Ein Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes sagte der Passauer Neuen Presse: "Es gibt nur wenige in der SPD-Fraktion, die Frau Merkel zur Kanzlerin wählen würden."

Die Bundestagsfraktion würde mehrheitlich "gerade noch die Israel-Lösung akzeptieren", bei der sich Schröder und Merkel im Amt des Bundeskanzlers abwechseln würden.

Müntefering wisse dies und habe für andere Abschlüsse mit der Union "keine Prokura". Mehr als die Hälfte der SPD-Abgeordneten werde Merkel andernfalls die Stimme verweigern. Wenn Schröder als Vizekanzler weiter in der Regierung bleiben würde, könne jedoch auch Merkel als Kanzlerin gewählt werden.

Die SPD-Fraktionslinke und der konservative Seeheimer Kreis erklärten am Wochenende, sie akzeptierten nur Schröder als Kanzler. Hamburgs SPD-Chef Mathias Petersen sagte dem Handelsblatt: "Ein Kompromiss ohne Schröder in führender Position wäre der Basis kaum zu vermitteln." Das sei in den SPD-Landesverbänden durchgängige Meinung.

Platzeck: Ich bleibe in Brandenburg

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hält dagegen eine Kanzlerschaft Merkels für möglich. "Wenn die Inhalte stimmen, könnte ich mir eine solche Konstellation vorstellen", sagte er der Märkischen Allgemeinen. Die SPD müsse zum Ausgleich mehr Ministerposten bekommen. Platzeck schloss nicht aus, dass er zur Bundestagswahl 2009 als Kanzlerkandidat antritt. "2009 werden die Karten neu gemischt."

Zugleich betonte er, dass er aktuell für einen Wechsel nach Berlin nicht zur Verfügung steht. Müntefering und Schröder hatten Platzeck laut Spiegel für das Außenamt vorgesehen, um ihn für die Bundestagswahl 2009 als Spitzenmann vorzubereiten.

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