Kandel:Was ein Gericht darf

Die furchtbare Tat von Kandel lässt in Abgründe blicken, die sich auftun können, wenn Menschen wie der nun verurteilte Flüchtling, der ein Mädchen erstach, zwischen zwei Welten geraten. Doch weder Leugnen noch Hassen helfen.

Von Matthias Drobinski

Achteinhalb Jahre Jugendstrafe - das kann nicht wiedergutmachen, was in Kandel geschah. Die 15-jährige Mia bleibt tot, erstochen von einem jungen Mann, wahrscheinlich aus Afghanistan, der glaubte, Rache nehmen zu dürfen an einem Mädchen, das sich von ihm getrennt hatte.

Die furchtbare Tat öffnet den Blick in die Abgründe, die sich auftun können, wenn junge Männer, darunter traumatisierte und gewalterfahrene, aus einer archaischen in die westliche, plurale Welt geworfen werden. Rechter Fremdenhass hilft so wenig, diesen Abgrund zu schließen wie die Leugnung der Probleme; dafür braucht es kundige Pädagogen, entschlossene Polizisten, Bürger, die klar die Werte ihres Landes vertreten. Und: Eltern, die sich Sorgen um ihre Kinder machen, sind keine Neonazis. Man kann verstehen, dass Menschen der Zorn packt, wenn ein Mann einfach ein Mädchen ersticht, das ihm nicht gefügig ist.

Ein Gericht aber darf sich nicht vom Zorn packen lassen. Deshalb war es gut, dass das Landgericht Landau den Prozess nach dem Jugendstrafrecht ohne Öffentlichkeit führte, weil das Alter des Täters unklar blieb - auch wenn das mancher zornige Bürger anders sah. Ein Gericht kann nicht das Böse wiedergutmachen. Aber es kann zeigen: Es ist ein Ort des Rechts, nicht der Rache.

© SZ vom 04.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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