Kampf gegen rechts:Ein unerträglicher Tabubruch

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Ausländerfeindlichkeit lässt sich keinesfalls mit der Freiheit des Denkens rechtfertigen - eine Antwort auf Peter Gauweiler.

Sebastian Edathy

Rechtsextremismus ist organisierte Menschenfeindlichkeit. Seine Entwicklung in Deutschland weist seit Jahren zwei besonders auffällige Merkmale auf: eine Radikalisierung und: Die Anhänger werden jünger. Im vergangenen Jahr ereigneten sich 1047 Gewaltdelikte mit einem rechtsextremistischen Hintergrund, darunter 958 Körperverletzungen.

Sebastian Edathy. (Foto: Foto: oh)

Im Klartext: Jeden Tag kamen in Deutschland fast drei Menschen zu Schaden. Zugleich ist die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten in den vergangenen Jahren gestiegen, sie liegt jetzt bei mehr als 10000 meist jüngeren Personen. Sorgen macht auch, dass das Durchschnittsalter der NPD-Mitglieder bei wenig mehr als 30 Jahren liegt.

Diese Fakten und Probleme sieht der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler nicht, stattdessen schwadroniert er (in der Außenansicht der Süddeutschen Zeitung vom 7. September) von "gezielter Desinformation gegen rechts", wirbt um Toleranz für rechtsradikales Denken und plädiert für Milde im Umgang mit früheren Schergen des Nazi-Regimes. Gauweilers Ausführungen bestürzen aus mehreren Gründen. Rechtsextremisten stellen die Werte des Grundgesetzes in Frage; damit wenden sie sich nicht alleine gegen Minderheiten, sondern gegen das Gemeinwesen als Ganzes.

Es gehört zu den Kernversprechen des demokratischen Rechtsstaates, dass sich in ihm Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder kulturellen Prägung ohne Angst bewegen können. Dies ist in Deutschland nicht flächendeckend der Fall. Rechtsextremismus ist ein gesamtdeutsches Problem mit regional unterschiedlicher Ausprägung. In den Augen von Peter Gauweiler ist es gar keins. Gauweiler hat unrecht.

Unerträglich ist es, wie er die Vorgänge von Mügeln kleinredet. Wenn ausländische Bürger als ethnische Gruppe von einem Mob attackiert werden und sich in einem Haus verbarrikadieren müssen, um Schlimmeres zu verhindern, dann gibt es keinen Grund zu Schönrednerei und Verharmlosung. Es ist eine Frage der Selbstachtung unserer Gesellschaft, einen solchen Zivilisationsbruch beim Namen zu nennen. Und es ist selbstverständlich richtig und notwendig, das dahinterstehende Denken zu ächten.

Täter-Opfer-Umkehr

In diesem Sinne hat der Bürgermeister von Mügeln, dem Gauweiler beipflichtet, falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte: die Aussage, in Mügeln gebe es keinen Rechtsextremismus (Ignoranz), Verständnis für ausländerfeindliche Parolen (Verharmlosung) und der Vergleich der Ereignisse in Mügeln mit denen von Sebnitz (Täter-Opfer-Umkehr).

Gauweiler stellt einen demokratischen Grundkonsens in Frage, wenn er Ausländerfeindlichkeit ungeniert als akzeptable Position bezeichnet - mit Hinweis auf die Freiheit des Denkens. Die politische Kultur der Nachkriegszeit hat sich in der Bundesrepublik stets durch Einigkeit in der Ablehnung demokratiefeindlicher Bestrebungen ausgezeichnet. Dazu gehört eine konsequente Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und zugleich auch die Erkenntnis, dass Demokratie nicht vererbt werden kann, sondern von jeder Generation aufs Neue erlernt werden muss.

Lesen Sie im zweiten Teil, weshalb der Autor Gauweilers Aussagen zur NS-Diktatur für empörend hält.

Deshalb gehört es zu den Aufgaben der politischen Verantwortungsträger, auf Tabus hinzuweisen. Das ist nicht ein Eingriff in die Freiheit des Denkens, sondern konstitutiver Bestandteil der Demokratie. Folgt man Gauweiler, dann darf man Menschen etwa wegen ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Orientierung sehr wohl diskriminieren. Damit verteidigt er öffentlich das Infragestellen der Unantastbarkeit menschlicher Würde - ein unerhörter Vorgang.

Schwammdrüber-Mentalität

Unerträglich sind auch die historischen Ausführungen des früheren Staatssekretärs im bayerischen Innenministerium. Er zieht nicht nur einen unzulässigen Vergleich zwischen der massenmörderischen NSDAP-Diktatur und der SED-Herrschaft, welcher die singuläre Monstrosität der ersteren zwangsläufig relativiert. Gauweiler muss auch so verstanden werden, dass er das Mitwirken an der Nazi-Barbarei für einen eher lässlichen Fehler hält. Für die in das NS-Regime Verstrickten sei es "ein Schmerz besonderer Art (...), nach einer verdienten moralischen Niederlage von den moralischen Siegern nochmals vorgeführt zu werden".

Diese Schwammdrüber-Mentalität und Gauweilers Kritik am "Endlosdiskurs über das Dritte Reich" sind empörend. Es ist nicht zuletzt die spezifisch deutsche Erfahrung, die zum Diskriminierungsverbot in Artikel 3 des Grundgesetzes geführt hat. Das Stigmatisieren und Verächtlichmachen von Menschen, die anders aussehen, ist nicht Bestandteil der Meinungsfreiheit, sondern ein frontaler Angriff auf unsere Verfassungswerte. Mit seiner Ermunterung, diese Selbstverständlichkeit in Frage zu stellen, verlässt Gauweiler den demokratischen Grundkonsens.

Wenn "Universalität", wie Gauweiler schreibt, links sei und nicht länger ein allgemeinverbindliches Ziel aller demokratischen Kräfte, dann ist dies ein Plädoyer für die Abschaffung eines Wesensmerkmals der politischen Kultur in Deutschland.

Dazu gehört es auch, Rechtsextremismus nicht einfach zu erdulden, sondern ihn entschlossen zu bekämpfen und sein Entstehen zu verhindern. Rechtsextremismus ist eine Realität, die wir niemals als Normalität betrachten dürfen. Initiativen und Projekte zu unterstützen, die sich vielerorts für die Stärkung der demokratischen Werte und das Zurückdrängen von Demokratiefeindlichkeit engagieren, ist daher sinnvoll, die Diffamierung entsprechender Maßnahmen unverständlich.

Kleinreden, Verharmlosen, Relativieren

Rechtsextreme Parteien wie die NPD versuchen, gerade dort Strukturen aufzubauen, wo sie ungestört agieren können. Die Bereitschaft, Rechtsextremismus nicht zur Kenntnis oder nicht ernst zu nehmen, wirkt geradezu wie ein Magnet.

Wir brauchen beim Umgang mit Rechtsextremismus eine Kultur des Hinschauens und des Handelns. Was wir nicht brauchen, sind Kleinreden, Verharmlosen und Relativieren. Peter Gauweiler müsste das wissen, aber er äußert sich anders. Er begibt sich inhaltlich in die ungute Gesellschaft der aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausgeschlossenen Politiker Martin Hohmann und Henry Nitzsche.

Wenn der neue Konservatismus der Union darin bestehen sollte, sich bei rechtsradikal denkenden Menschen anzubiedern, dann würde der Konsens der Demokraten aus parteitaktischen Gründen verkauft. Seine politischen Freunde sollten darauf achten, sich von Peter Gauweiler nicht auf einen fatalen Irrweg führen zu lassen. Dieser würde nicht nur der Union, sondern ganz Deutschland schaden.

Sebastian Edathy sitzt seit 1998 für die SPD im Bundestag. Er war Sprecher der Arbeitsgruppe Rechtsextremismus und Gewalt und ist seit November 2005 Vorsitzender des Innenausschusses.

© SZ vom 8.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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