Kampf gegen Corona:Söders Vorsprung

Der Ministerpräsident verwendet ein bezeichnendes Wort.

Von Stefan Braun

Im Ringen um das richtige Maß an Lockerungen hat Markus Söder einen bemerkenswerten Satz gesagt. Der CSU-Chef warnte davor, "den Vorsprung" zu verspielen, den Deutschland sich in Europa im Kampf gegen das Virus erarbeitet habe. Das klingt zunächst logisch. Deutschland steht nach der ersten Welle (hoffentlich kommt keine zweite) vergleichsweise gut da. Das kann stolz machen: auf die eigene Vernunft, das deutsche Gesundheitswesen und das Verhalten als Gemeinschaft. Einerseits.

Andererseits stellt sich die Frage, was das mit einem "Vorsprung" zu tun hat. Einem Vorsprung gegenüber wem? In welchem Wettbewerb? Mit welchem Vorteil, den man nicht verspielen sollte? Rückt man diesen Fragen näher, bekommt der "Vorsprung" einen faden Beigeschmack. Jedenfalls für all jene, die in der Corona-Krise mit Schrecken erlebten, wie heftig diese Pandemie über Frankreich, Italien und Spanien hereinbrach. Dort dürfte das Reden vom Vorsprung deshalb einen unangenehmen Klang haben.

So verständlich Söders Bemühen ist, die Menschen hierzulande zur Vorsicht zu mahnen, so sehr sollte er darauf achten, den Ehrgeiz nicht durch heikle Sub-Botschaften anzustacheln. Der Kampf gegen die Pandemie ist wichtig. Aber Europa zu retten, gerade auch in den Köpfen, könnte noch wichtiger werden.

© SZ vom 27.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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