Kameradschaft Süd:Weiblich, jung, fanatisch

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Die Frauen in der "Kameradschaft Süd" beschränkten sich nicht auf die Rolle der Freundinnen - sie wurden selber aktiv.

Von Annette Ramelsberger

Drei Frauen sind unter den ersten angeklagten Münchner Neonazis, die sich demnächst vor Gericht wegen der Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung verantworten müssen. Alle drei sind sehr jung - und hatten dennoch wichtige Positionen in der "Kameradschaft Süd".

Die damals 17 Jahre alte Monika St. aus Baldham war die Anführerin des "Frauenbundes" der Kameradschaft. Jede Woche traf sie sich mit ihren Kameradinnen in einer Schwabinger Kneipe zur politischen Schulung.

Doch die Theorie war ihr offenbar nicht genug: An ihrem Arbeitsplatz im Postscheckamt in München forschte sie die Daten von missliebigen Personen aus: zwei Zettel voll mit Namen und Daten stellte die Polizei bei ihr sicher.

Die Banklehre war daraufhin weg. Auch als Protokollantin der wöchentlichen Kameradschaftstreffen tat sie sich hervor. "Sie nahm sich der von Wiese übertragenen Aufgabe mit großer Leidenschaft an", heißt es in der Anklage. Durch eine Abhöraktion kam heraus, dass sich die 17-Jährige sogar bereit zeigte, sich als Selbstmordattentäterin auf dem Münchner Marienplatz in die Luft zu sprengen.

Die 22 Jahre alte Jessica F. war ebenfalls Führungskader: von Anfang an dabei, war sie für die Rekrutierung des Nachwuchses zuständig und leitete einen Jugend-Stammtisch. Die dritte Angeklagte, Ramona Sch., 19, geht noch zur Schule. Sie ist die Freundin des Anführers der Kameradschaft, Martin Wiese, mit dem sie zusammen in der Landsberger Straße wohnte.

Die Frauen in der Gruppe waren offenbar nicht zurückhaltender als die Männer; alle drei stimmten laut Anklage der Tötung von Menschen ohne Widerspruch zu. Das entspricht einer Beobachtung des Verfassungsschutzes, wonach rechtsradikale Frauen sich nicht mehr auf die Rolle der Freundin beschränken, sondern selber aktiv werden wollen.

So haben nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes die Frauen der "Kameradschaft Süd" die Männer angefeuert, als die einen Aussteiger aus der rechtsextremen Szene zusammenschlugen.

Vor allem Monika St. ist schon sehr früh in der rechten Szene gelandet und hatte mit markigen Sprüchen Aufmerksamkeit erregt. Ihr Münchner Anwalt Robert Jofer geht allerdings davon aus, dass seine Mandantin ihre Überzeugung inzwischen geändert hat.

"Ich würde sie nicht verteidigen, wenn sie sich nicht von dem rechten Gedankengut distanzieren würde", sagte er am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung. Für ihn ist es ein gutes Zeichen, dass der Generalbundesanwalt die junge Frau nicht "mit den Hardlinern wie Wiese und Co auf die Anklagebank gesetzt hat", sondern ein eigenes Verfahren gegen die Jüngeren in der Gruppe angestrengt hat.

Monika St. sei keine verbohrte Rechtsradikale, sondern in einer "spätpubertären Orientierungsphase", sagt Jofer. Die Bild-Zeitung zeigte das lachende, blonde Mädchen schon auf seinem "Weg in ihr neues, braves Leben". Tatsächlich ist Monika St. seit Dezember wieder auf freiem Fuß und arbeitet regelmäßig. Ihre Kollegen wissen nichts von den Vorwürfen gegen sie. Auch Wieses Freundin, die mitangeklagte Ramona Sch., ist seit einigen Monaten wieder in Freiheit.

Für die Ermittler ist Monika St.'s Reue reine Taktik. "Es soll jetzt alles als nicht ernst hingestellt werden", sagt ein Fahnder. Sicherlich nicht ernst zu nehmen ist die Ankündigung des Teenagers, sich in die Luft sprengen zu wollen. Bei den Vernehmungen konnte sich die junge Frau zunächst gar nicht an eine solche Aussage erinnern. Sie sei "stockbesoffen" gewesen, gab sie an. Das wollen die Ermittler nicht ausschließen. Alkohol gilt in der rechten Szene als natürlicher Beschleuniger vieler Aktionen.

© SZ vom 6. Mai 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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