Kämpfe im Nordlibanon:Tausende Palästinenser fliehen

Lesezeit: 2 min

Nach drei Tagen heftiger Gefechte zwischen der libanesischen Armee und der Extremistengruppe Fatah al-Islam in einem palästinensischen Flüchtlingslager hat eine Massenflucht der Bewohner begonnen. Die USA wollen die Regierung des Libanon im Kampf gegen die Islamisten unterstützen.

Tausende Menschen im Nordlibanon versuchen, sich vor den seit Tagen andauernden Kämpfen zwischen der libanesischen Armee und einer radikalen Islamistengruppe in Sicherheit zu bringen.

Vor allem Frauen mit Kindern und alte Menschen verließen zu hunderten in Autos und auf Lastwagen das Lager Nahr al-Bared bei Tripoli. Sie zogen zu Fuß oder mit dem Auto in das benachbarte Lager Baddawi und in die Hafenstadt Tripoli. Dabei nutzten sie ein Abflauen der Gefechte am Abend.

Den Flüchtlingen werde in Baddawi Obdach gewährt, betonte Hadsch Rifaat, ein der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas angehörender Verantwortlicher in Baddawi. Angesichts des wachsenden Anstroms sei jedoch zu erwarten, dass das Lager schnell überfüllt sein werde und die Lebensmittel zur Neige gingen.

Hunderte Flüchtlinge trafen nach Angaben eines Fotografen der Nachrichtenagentur AFP auch in der Hafenstadt Tripoli ein. Sie wurden in Schulen untergebracht.

Verletzte bleiben unbehandelt

Am Nachmittag hatten die Milizionäre der radikal-islamischen Fatah al-Islam eine einseitige Waffenruhe verkündet. Während die Kämpfe nach kurzer Zeit wieder aufflammten, beruhigte sich die Lage nach Angaben der Armee mit Einbruch der Dunkelheit. "Die Lage rund um das Camp ist ruhig, und beide Seiten halten sich an die Waffenruhe", sagte ein Armeesprecher der Nachrichtenagentur dpa.

Schätzungen zufolge starben bei den seit Sonntag andauernden Gefechten fast 70 Menschen. Genaue Opferzahlen gab es zunächst nicht. Flüchtlinge, die mit weißen Fahnen das Lager verließen, berichteten über katastrophale Zustände in dem Camp.

Die Leichen der bei den Kämpfen Getöteten blieben in den Straßen liegen, während die Krankenstationen von Verwundeten überfüllt seien. "Die Belagerung und die Kämpfe führen dazu, dass viele an ihren Verletzungen sterben, weil sie nicht behandelt werden können", berichtete auch ein Arzt telefonisch aus dem Lager. Sollten die Gefechte weitergehen, drohe eine humanitäre Katastrophe, sagte er.

Am Dienstagnachmittag war es Mitarbeitern des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA erstmals gelungen, mit Lastwagen Nahrungsmittel, Medikamente und Stromgeneratoren in das Flüchtlingslager zu bringen. Auch sie schilderten die Lage als dramatisch.

Viele Bewohner des Lagers befänden sich in einem "Zustand des Schocks und der Angst", sagte ein UN-Mitarbeiter. Auch ihr Konvoi sei beschossen worden. Dabei sei ein Lastwagen mit Trinkwasser beschädigt worden. Die Mitarbeiter des Flüchtlingshilfswerks seien aber unverletzt geblieben.

USA wollen Libanon unterstützen

Die Armee geht seit Sonntag gegen Mitglieder der radikalen Sunniten-Gruppe in dem seit 1949 bestehenden palästinensischen Flüchtlingslager vor. Nach einer 38 Jahre alten Abmachung ist der Armee der Zutritt zum Lager selbst verboten.

Die Kämpfe am Eingang waren ausgebrochen, nachdem es zu einem Schusswechsel zwischen Soldaten und Angehörigen der Gruppe gekommen war, die eine Bank ausgeraubt haben sollen. Insgesamt leben im Libanon rund 367.000 Palästinenser in zwölf Flüchtlingslagern.

Die USA sagten der libanesischen Regierung Unterstützung im Kampf gegen Islamisten zu. US-Außenministerin Condoleezza Rice verteidigte das Vorgehen der libanesischen Armee. Die Regierung Siniora kämpfe gegen einen "sehr gefährlichen extremistischen Feind", sagte Rice.

Nach Angaben des Pentagon bewilligte die US-Regierung Munition, Lastwagen und Ersatzteilte im Wert von 30,4 Millionen Dollar (22,6 Millionen Euro). Der Kongress habe zwei Wochen Zeit, über das Paket zu entscheiden, hieß es.

Washington ließ der libanesischen Regierung bereits im vergangenen Jahr 40 Millionen Dollar Militärhilfe zukommen. Ein geplantes Libanon-Hilfspaket im Umfang von 280 Millionen Dollar wartet derzeit noch auf die Verabschiedung durch den Kongress.

Die USA sehen die libanesische Regierung als Verbündeten im Vorgehen gegen ihre Gegner im Nahen Osten wie etwa die radikale Schiitenmiliz Hisbollah oder die Regierungen in Syrien und im Iran.

© AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: