Justizvollzug:Knast für alte Gauner

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Sie begehen Ladendiebstähle, überfallen Banken oder fahren schwarz: Straftäter der Klasse Ü60. In Niedersachsen könnte für solche Fälle bald die passende Unterkunft entstehen. Dort prüft man den Bau eines Senioren-Gefängnisses.

Von Ralf Wiegand

Die Düsseldorfer Polizei wäre froh, könnte sie ihrer Kundschaft ein Gefängnis anbieten, das auf die speziellen Bedürfnisse alter Leute ausgerichtet ist.

Dann, scherzt der Behördensprecher am Telefon, hätte man jene etwa 70 Jahre alte Frau vielleicht davon abhalten können, nach ihrem ersten Banküberfall drei weitere zu begehen und als "Bankräuber-Oma" im vergangenen Winter Schlagzeilen zu machen.

"Mit so einem Gefängnis hätten wir ihr den Aufenthalt bei uns schmackhaft machen können", sagt der Sprecher. So allerdings blieb die betagte Räuberin unauffindbar, obwohl es Fotos, Videos und DNA-Spuren von ihr gibt.

In Niedersachsen könnte für solche Fälle bald die passende Unterkunft entstehen. Das Justizministerium in Hannover prüft die Einrichtung eines speziellen Gefängnisses für Senioren. Für ältere Gefangene soll ein "adäquates Angebot" geschaffen werden, sagt die Sprecherin des Ministeriums, Jutta Rosendahl.

Derzeit sind in Niedersachsen 122 Menschen inhaftiert, die mindestens 60 Jahre alt sind. Für sie haben die üblichen Resozialisierungsmaßnahmen im konventionellen Knast wenig Sinn: Welcher Rentner braucht noch eine Ausbildung oder gar eine Mucki-Bude fürs Bodybuilding?

Das Seniorengefängnis hingegen würde ein altersgerechtes Angebot für Weiterbildung und Freizeitgestaltung bereitstellen und auf die Gebrechlichkeiten der alten Ganoven Rücksicht nehmen. Geplant ist ein rollstuhltaugliches Gebäude mit speziellen Zellen für alte Leute.

Stolzer Anstieg der Alters-Kriminalität

Mit der Bevölkerung im Allgemeinen werden auch die Kriminellen im Besonderen immer älter. Viele Senioren, die bis ins Alter ein unbescholtenes Leben führten, bessern sich das allzu karge Altersgeld mit Gaunereien auf. Vor allem Ladendiebstähle und Schwarzfahren sind beliebte Delikte in der Klasse Ü60.

Eher selten ist eine filmreife Renter-Gang, wie sie der Polizei vergangene Woche ins Netz ging. Die drei Männer im Alter von 63, 72 und 74 Jahren erbeutete bei insgesamt sechs Banküberfällen in Nordrhein-Westfalen 400.000 Euro - mit Pistolen, Handgranaten und Vorschlaghammer. Über Alterskriminalität sind nur wenige Zahlen bekannt.

Das Statistische Bundesamt meldet seit Mitte der neunziger Jahre einen Anstieg der Kriminalität bei den über 60-Jährigen um 28 Prozent. Das Land Sachsen weist allein 2003 über 8000 ältere Herrschaften unter Tatverdacht aus.

Was noch kommen könnte, zeigt ein Blick nach Japan. Vergangenes Jahr wurden dort 30.000 mindestens 65 Jahre alte Straftäter festgenommen, und die Zahl der polizeiauffälligen Pensionäre stieg in den vergangenen zehn Jahren um 320 Prozent.

Forscher der Universität Fukushima haben herausgefunden, dass für viele ältere Menschen das geregelte Leben im Knast einfacher und sicherer ist als in Freiheit. Logische Konsequenz: eine späte Karriere auf der schiefen Bahn und das erste Altersgefängnis des Landes in Onichimi.

So weit ist es in Niedersachsen noch nicht, bis Ostern 2005 sollen das Vorhaben und mögliche Standorte geprüft werden. Für die Bankräuberin aus Düsseldorf käme die Verlockung einer seniorengerechten Zelle wohl ohnehin zu spät.

"Nach ihrem letzten Überfall hat es einfach aufgehört", sagt der Polizeisprecher. Die Behörden nehmen an, dass die ominöse Oma inzwischen verschieden ist.

© SZ vom 15.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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