Jubiläum:Die Badener und die Württemberger ...

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... aber niemals die Baden-Württemberger: über die großen Kleinigkeiten in einem Bundesland, das nun den 50. Jahrestag seiner endgültigen Gründung begeht.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

Joachim Löw & Jürgen Klinsmann sowie Carl Benz & Gottlieb Daimler sind bekannte Erfolgsduos aus Baden-Württemberg. Doch man sollte sich hüten, sie als Baden-Württemberger zu bezeichnen. Selbst 68 Jahre nach Gründung des Bundeslandes wird dort Wert darauf gelegt, dass es sich bei Löw und Benz um Badener handelt, wohingegen Klinsmann und Daimler aus Schwaben, also Württemberg stammen. Die Differenzierung hat beinahe offiziellen Charakter: Wenn Abgeordnete im Stuttgarter Landtag über die Bürger sprechen, reden sie selbstverständlich von den "Badenern und Württembergern".

Die Vereinigung mit dem Land Württemberg und dem Gebiet Hohenzollern war in der ehemals souveränen Republik Baden sehr umstritten - und wurde erst vor 50 Jahren wirklich rechtmäßig: Am 7. Juni 1970, als die Bewohner von Baden in einem Volksentscheid noch einmal über das Bindestrich-Land abstimmen durften, das 1952 gegründet worden war. 1951 hatte es zwar schon eine erste Abstimmung gegeben, doch die wurde vom Bundesverfassungsgericht kassiert, weil ein unzulässiger Kniff damals für das Votum verantwortlich war: Die Regierenden hatten den Südwesten damals in vier Abstimmungsbezirke geteilt und vereinbart, dass die Fusion kommen würde, wenn sich drei der Bezirke dafür aussprächen. Tatsächlich lehnte nur Südbaden die Fusion ab, während der industriell geprägte Norden mit Karlsruhe und Mannheim dafür stimmte. Hätte man damals aber Baden als Ganzes abstimmen lassen, wäre eine knappe Mehrheit für dessen Souveränität zustande gekommen.

Bis 1970 hatte sich das Bundesland dann schon wirtschaftlich so erfolgreich entwickelt, dass die Separatisten bei der erneuten Abstimmung deutlich in der Minderheit waren: 82 Prozent der Badener votierten - bei einer Beteiligung von 62 Prozent - für den Verbleib in Baden-Württemberg.

Heute fordern selbst leidenschaftliche Altbadener keine Trennung mehr. Nach wie vor spielt es aber für viele Menschen eine Rolle, ob sie in Baden oder in Württemberg leben. Wenn es nach Sven von Ungern-Sternberg geht, sollte das auch so bleiben. Der ehemalige Regierungspräsident von Freiburg, Südbaden, und Vorsitzende des "Landesvereins Badische Heimat" hält es für wichtig, regionales Identitätsbewusstsein zu stärken, um den Menschen in der globalisierten Welt Halt zu geben. "Es ist gut, wenn die Verschiedenartigkeit der Regionen gefördert und nicht zugekleistert wird", sagt er. Deshalb setzt sich sein Verein für Denkmal- und Naturschutz ein und hält die Erinnerung an Badens Geschichte lebendig. Er vertritt dabei einen sehr modernen, dynamischen Begriff von Heimat, bei dem es nicht um die Abstammung der Bewohner geht. Die Idee von unterschiedlichen "Stämmen", wie sie beispielsweise noch immer von der bayerischen Landesregierung propagiert wird, lehnt von Ungern-Sternberg als "völkisch" und antiquiert ab. Heimatpflege bedeutet aus seiner Sicht, die Eigenheiten und das kulturelle Erbe einer Region zu erhalten und weiterzugeben - von jedem und an jeden, der dort heimisch werden will. Man könne mehrere Heimaten haben, sagt er. Ungern-Sternberg ist 78 Jahre alt und selbst in Norddeutschland aufgewachsen, seit mehr als 50 Jahren lebt er in Südbaden.

Als typisch für Baden empfindet er eine liberale Lebensart, "ein badisches Savoir-vivre". Das wurde durch die Nähe zu Frankreich beeinflusst, die auch die Esskultur am Oberrhein geprägt hat, und durch die eigene Geschichte: Im damals absolutistischen Europa bekam das Großherzogtum Baden 1818 die fortschrittlichste Verfassung Deutschlands, sie garantierte Eigentum und Freiheit, Presse- und Religionsfreiheit.

Es war eine Schöpfung Napoleons, der es 1808 unter Einbeziehung von Teilen der Kurpfalz mit Mannheim und Heidelberg sowie fränkischen Gebieten an der Tauber schuf, die heute zum - schwäbischen - Regierungsbezirk Stuttgart gehören. Trotzdem sieht Sven von Ungern-Sternberg einen "gewissen badischen Zusammenhalt" im gesamten Gebiet des ehemaligen Großherzogtums.

Auch in Villingen-Schwenningen spielt die ehemalige Landesgrenze noch eine Rolle. Die 80 000-Einwohner-Doppelstadt ist 1972 aus dem badischen Villingen und dem württembergischen, also schwäbischen, Schwennigen entstanden. "Wir haben unsere Unterschiede", sagt Oberbürgermeister Jürgen Roth, "Ich erlebe das als sehr wertvoll." Besonders herausgestellt werde das jedes Jahr an Fastnacht. Da ziehen sich die Villinger und die Schwenninger gerne mit den alten Klischees auf, etwa vom sparsamen Schwaben und den genussfreudigen Badenern. Aber äußerst liebevoll, sagt Roth. "Das ist mehr ein Gekabbel zwischen Geschwistern."

© SZ vom 06.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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