Jagd auf Saddam:Versteckspiel der Staatsfeinde

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Warum Saddam leichter zu fangen ist als Osama bin Laden.

Von Hans Leyendecker

(SZ vom 30. Juli 2003) Ein paar Kommandounternehmen noch, ein paar Razzien in Tikrit und Umgebung - und das Schicksal von Saddam Hussein könnte besiegelt sein. Die US-Eliteeinheit Task Force 20 ist dem Diktator offenbar dicht auf den Fersen.

Am Dienstag wurde einer seiner Leibwächter in Tikrit, Saddams Heimatort, festgenommen. Die US-Soldaten hatten gezielt nach dem Vertrauten des früheren Diktators gesucht. Wird sein Chef der Nächste sein ? 25 Millionen Dollar Kopfgeld hat die US-Regierung ausgesetzt - ebenso viel wie für Hinweise, die zur Ergreifung Osama bin Ladens führen.

Doch Saddam sei "kein Osama bin Laden", deshalb werde man ihn bald fangen, hat der stellvertretende US-Außenminister Richard Armitage erklärt. Anders als der Führer der Terrorgruppe al- Qaida sei es der ehemalige Diktator nicht gewohnt, sich in der Wildnis zu verstecken.

Bin Laden ist Wahlkampfthema Nummer eins

Die Aussicht, dass Saddam bald erledigt sein könnte, während bin Laden weiter sein Netzwerk knüpft, wird in den USA zum Wahlkampfthema. Die Fixierung auf den Irak habe es bin Ladens Terrorbande "möglich gemacht, sich zu regenerieren", kritisierte der amerikanische Präsidentschaftskandidat Bob Graham.

Dabei sei bin Laden "unser Feind Nummer eins". Warum Feind Nummer zwei zu fassen ist und Feind Nummer eins auch nach den Worten von US-Präsident George W. Bush möglicherweise erst "in Jahren", wenn überhaupt, gefangen sein wird, hat mit unterschiedlichen Länder-Topographien sowie mit unterschiedlichen Unterstützersystemen zu tun. "Außerdem hat bin Laden auf der Flucht viel gelernt und seine Gewohnheiten geändert", so ein westlicher Geheimdienstler.

Der gebürtige Saudi telefoniert schon lange nicht mehr mit Satellitentelefon, selbst die Kommunikation mit Walkie-Talkies hat er seit der Schlacht von Tora Bora Ende 2001 eingestellt. Das letzte Video, auf dem der heute 46 Jahre alte Terrorist zu sehen ist, wurde im Dezember 2001 ausgestrahlt.

Letztes Tonband vom Februar 2003

Die vorläufig letzte Tonbandaufzeichnung datiert vom Februar 2003. Bin Laden rief seine Anhänger zu "Märtyrer-Operationen" in Saudi-Arabien, Marokko und Pakistan auf - drei Monate später startete in diesen Ländern eine Anschlagswelle.

Vorwiegend kommuniziert der Al-Qaida-Chef nach Feststellungen der Geheimdienste mit von Kurieren überbrachten Tonbändern und Briefen. Seiner Mutter, die er früher zur Freude der Lauscher der US-Dienste häufig aus Afghanistan anrief, teilte er im Frühjahr 2002 in einem Brief brav mit, es gehe ihm "gesundheitlich sehr gut". Im Mai dieses Jahres wurde bei einem ums Leben gekommenen Gotteskrieger in Saudi-Arabien ein Brief Osama bin Ladens gefunden, in dem er in typischer Handschrift seinen Anhängern die besten Grüße zum dreitägigen "Fest des Essens" übermittelte.

Kondolenzschreiben an Märtyrer-Familien

Nach den Feststellungen des Bundesnachrichtendienstes (BND) verschickt Osama auch Kondolenzschreiben an die Angehörigen der so genannten Märtyrer. "Er will Signale an seine Jünger senden", sagt ein deutscher Sicherheitsexperte.

Während Saddam zwar über reichlich Geld verfügt, aber in einem dicht besiedelten Land kaum Fluchtmöglichkeiten hat, hält sich Osama bin Laden nach übereinstimmenden Berichten der Dienste in den Bergen Afghanistans und Pakistans auf. Stammesführer schützen ihn, Fremde kommen nicht an ihn heran. Seine Verfolger gehen davon aus, dass er mit einer Truppe von 30 bis 40 Gefolgsleuten von Versteck zu Versteck zieht, und ihm reichen - anders als Saddam - Höhlen oder Zelte.

Einen Doppelgänger hat bin Laden nicht, doch auch Saddam hatte, laut BND und auch nach einer Expertise des Bundeskriminalamts, nie ein Double. Frühere Berichte der Medien oder anderer Dienste über die vielen Doppelgänger seien falsch gewesen, sagt ein deutscher Sicherheitsfachmann. Es wäre nicht die einzige Lüge dieses Krieges gewesen.

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