Jacques Chirac:Verblassende Erinnerung

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Frankreichs Präsident Jacques Chirac bereitet sich auf das Leben nach der Politik vor. Sein Erbe bleibt zwiespältig: Gräben hat er nicht überwinden können.

Gerd Kröncke

Was wird bleiben von der Ära des Jacques Chirac? Zehn Wochen sind es noch bis zum ersten Wahlgang, wenn sich ein halbes, vielleicht sogar ein Dutzend Kandidaten um seine Nachfolge bewerben.

Jacques Chirac (Foto: Foto: Reuters)

Erstmals seit 1981 wird es eine Präsidentschaftswahl ohne Chirac sein. Vier Jahrzehnte lang war dieser Mann in den Palästen der Republik zu Hause, davon zwölf lange Jahre im Elysium im achten Pariser Arrondissement. Nicht einmal Charles de Gaulle, nur François Mitterrand hatte länger im Elysée-Palast residiert.

Am Wochenende hat der amtierende Präsident klargemacht, dass es für ihn ,,ein Leben nach der Politik'' gibt, und auch wenn er es noch nicht ausgesprochen hat, Jacques Chirac ist im Begriff sich zu verabschieden.

Nur einer wird gewinnen. Die Nachfolgekandidaten haben das Wochenende genutzt, um sich weiter in den Vordergrund zu schieben. Ségolène Royal, die Sozialistin, die nicht an Chirac, sondern an François Mitterrand anknüpfen will, hat sich den größten verfügbaren Saal gesucht, um in Villepinte am Rande von Paris vor 8000 Parteimitgliedern ihren ,,pacte présidentiel'' vorzutragen - hundert Punkte, bei Mitterrand waren es 110 gewesen.

Auch sonst hat sie versucht, ihren Auftritt an dem zu orientieren, der vor einem Vierteljahrhundert als erster Sozialist an die Spitze der Fünften Republik trat. François Mitterrand, den Mann, unter dem sie die ersten politischen Schritte getan hat, stellt sie nun als ihren geistigen Vater dar. Nachdem Madame Royal schwierige Wochen hinter sich hat, muss sich nun zeigen, ob die Vorstellung in Villepinte die Wende im Wahlkampf bringen kann.

Auf der anderen Seite: Nicolas Sarkozy. Er, der in den Umfragen leicht in Führung liegt, wollte diesen 11. Februar nicht der sozialistischen Kandidatin überlassen und hatte in Paris eine Halle gemietet - ,,la Mutualité'' - in der sich für gewöhnlich die Linke trifft.

Sarkozy müht sich seit Beginn des Wahlkampfs, den Ruch des radikalen Polizeiministers abzuwehren. Gelegentlich hat er sich, unter empörten Zwischenrufen der Linken, auf sozialistische Urväter wie Jean Jaurès oder Léon Blum berufen. In einem bekenntnisreichen Interview in Buchform hat sich der Präsident eben erst sehr freundlich über Sarkozy geäußert: ,,Ein aktiver, intelligenter Mann, ein Politiker erster Güte.'' Sarkozy sei ein Trumpf gewesen für seine, Chiracs, Regierung: ,,Ich kenne ihn, mit all seinen - großen - Qualitäten und seinen Fehlern.'' Mit anderen Worten: Chirac wird nichts anderes übrig bleiben als sich demnächst für die Präsidentschaft Sarkozys auszusprechen.

Chirac hinterlässt keine großen Projekte, dazu fehlte das Geld zu seiner Zeit. ,,Wenn man Chiracs Bilanz ziehen wird'', hat ein verbitterter, von ihm entlassener Minister gesagt, ,,dann wird man sich an nichts erinnern.'' Das ist überspitzt, aber viel bleibt in der Tat nicht. Er ist kein Präsident gewesen, der Gräben überwunden hätte.

In keinem der ersten Wahlgänge, in denen die Wähler ihre eigentliche Präferenzen erklären, hat er die zwanzig Prozent überschritten. Zudem war ein Teil seiner Amtszeit überschattet von Skandalen, die ihn aus seiner politischen Vergangenheit eingeholt hatten. Als er die Chance hatte, ein großer Präsident zu werden, nachdem er gegen den rechtsextremen Jean-Marie Le Pen mit über 80 Prozent gewählt worden war, hat er sie nicht genutzt. All die, die ihn mit zusammengebissenen Zähnen und manche gar unter Tränen gewählt haben, hat er enttäuscht.

Immerhin war es der Präsident Chirac, der als erster die schwere Mitschuld des französischen Staates am Schicksal der Juden unter der deutschen Besatzung akzeptierte. Keiner seiner Vorgänger hatte sich dazu durchringen können. Es hätte mehr solcher Gesten gebraucht. Die Krisen während seiner zweiten Amtszeit zeigten ein gespaltenes Land. Chirac hat die Franzosen nicht zusammenführen können.

© SZ vom 12.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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