Italiens Premier unter Druck:Bündnispartner zweifelt an Berlusconis Führungsanspruch

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Erst schmeißt sein Wirtschaftsminister die Brocken hin - nun fällt ihm sein christdemokratischer Bündnispartner vor laufender Kamera in den Rücken.

So sehr sich Italiens Premier Berlusconi seit Wochen bemühte, für die Fernsehkameras in bester Laune zu posieren - die Probleme seiner Regierung sind mittlerweile unübersehbar.

Seit der Schlappe bei den Regionalwahlen im April dieses Jahres fordert die Opposition beharrlich Neuwahlen.

Umfragen zufolge ist die Beliebtheit des Ministerpräsidenten bei den Wählern ohnehin am Tiefpunkt angelangt.

Nun ist am Donnerstag auch noch sein Wirtschaftsminister abgesprungen. Vor laufenden Fernsehkameras verging Berlusconi jetzt das Lächeln, als sein christdemokratischer Bündnispartner Marco Follini erstmals öffentlich den Führungsanspruch des Regierungschefs anzweifelte.

Seine Partei glaube nicht, dass Berlusconi der beste Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen 2006 sei, erklärte Follini völlig überraschend. Die Mine des Ministerpräsidenten wirkte wie versteinert. "Marco Follini wagt das Ungeheure: Er meuchelt seinen Chef live, vor den Kameras", kommentierte die Zeitung La Repubblica am Freitag.

Opposition im Aufwind

Für die Mitte-Links-Opposition sind solche öffentlichen Machtspiele Balsam für die Seele. Ohnehin liegt sie bei den Wählern gut im Rennen und hat durchaus Chancen, Berlusconi im nächsten Jahr abzulösen. "Diese Regierung hält einfach nicht mehr zusammen", fasste es Oppositionsführer Romano Prodi zusammen.

Dabei hatte Berlusconi gerade erst den Eindruck gewinnen können, das Schlimmste verhindert und Kritiker zum Verstummen gebracht zu haben. Nur wenige Stunden nach dem Rücktritt von Wirtschaftsminister Domenico Siniscalco präsentierte er am Donnerstagabend stolz einen Nachfolger: Ex-Wirtschaftsminister und Europa-Gegner Giulio Tremonti.

Aber nicht nur die Christdemokraten, sondern auch Kommentatoren in den Medien vertraten die Ansicht, dass der überraschende Rücktritt Siniscalcos eine tiefe, schwelende Krise innerhalb der Koalition in Rom offenbart.

Auslöser für die derzeitigen Unstimmigkeiten ist Zentralbankchef Antonio Fazio. Der soll sein Amt missbraucht und einheimische Bieter bei internationalen Übernahmekämpfen von Banken gegenüber ausländischen Mitbietern bevorzugt haben. Während Siniscalco seit Wochen beharrlich den Rücktritt Fazios forderte, bekam er dabei von Berlusconi keine echte Rückendeckung.

Der wollte wohl den anderen Koalitionspartner - die rechtspopulistische Liga Nord - nicht verstimmen, die sich voll hinter den Notenbankgouverneur stellt. Erst nachdem Siniscalco sein Amt zur Verfügung gestellt hatte, meldete sich Berlusconi zu Wort und bezeichnete Fazios Festhalten am Amt als "inkompatibel mit der Glaubwürdigkeit des Landes".

"Politischer Tod der Regierung"

Mit spitzer Feder kommentierte La Repubblica, Berlusconi habe erneut versäumt, das zu tun, "was jeder verantwortungsvolle Arzt schon längst getan hätte: Den Stecker herauszuziehen - und den politischen Tod seiner Regierung festzustellen".

Immerhin neun Minister sind in den beiden Regierungen des Multimillionärs bereits zurückgetreten. Manche kommen wieder, so wie Tremonti, der erst im vergangenen Jahr als Wirtschaftsminister aufgegeben hatte. Grund für seinen Rücktritt waren damals unter anderem Streitigkeiten mit dem Notenbankchef. Jetzt sitzt Tremonti mit Fazio wieder Seite an Seite bei der Jahrestagung des internationalen Währungsfonds in Washington.

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