Italien-Urlaub abgesagt:Der Kanzler sagt "no"

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Ciao, bella Italia: Bundeskanzler Gerhard Schröder wird seinen Urlaub zu Hause in Hannover verbringen. Er zieht damit die Konsequenz aus der Affäre um den italienischen Wirtschaftsstaatssekretär Stefani, der sich negativ über deutsche Touristen geäußert hatte.

Nico Fried

(SZ vom 10.7.2003) - Die Bundesregierung bekundete aber weiterhin ihr Interesse an guten Beziehungen zu Italien, das zurzeit die EU-Präsidentschaft innehat. Mit Entsetzen hat die italienische Tourismusbranche auf die Kanzler-Absage reagiert.

Der Kanzler wolle seiner Familie "nicht länger Spekulationen über die wenige gemeinsame Urlaubszeit zumuten", sagte Regierungssprecher Bela Anda. Der für den Tourismus zuständige Wirtschafts-Staatssekretär Stefani, der dem kleinen Koalitionspartner in der italienischen Regierung, Lega Nord, angehört, hatte in einem Beitrag für die Parteizeitung La Padania Deutsche als Leute charakterisiert, die "besoffen von aufgeblasener Selbstgewissheit" seien.

Die Äußerungen kamen nur wenige Tage, nachdem Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi dem SPD-Europaabgeordneten Martin Schulz die Rolle eines KZ-Aufsehers in einem Spielfilm nahe gelegt und sich dafür nicht ausdrücklich entschuldigt, sondern seine Worte im Europaparlament lediglich "bedauert" hatte.

Ähnlich wie Berlusconi versuchte Stefani später, seine Worte zu relativieren, eine Entschuldigung lehnte jedoch auch er ab. Außenminister Franco Frattini rügte Stefani; die italienische Mitte-Links-Opposition forderte ihn zum Rücktritt auf.

"Unflätige Bemerkungen"

Schröder selbst äußerte sich nicht. Journalisten, die auf eine Stellungnahme von ihm warteten, winkte er nur lachend zu.

Am Mittwochmorgen hatte zunächst Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Entlassung Stefanis wegen dessen "unflätigen Bemerkungen" gefordert. Die italienische Regierung wäre gut beraten, diese Sache in Ordnung zu bringen und diesen Staatssekretär nicht im Amt zu belassen, sagte Schily im ZDF. Er sprach von einem "tölpelhaften Staatssekretär", der für sein Amt "in jeder Weise ungeeignet" sei. "Wenn ich Regierungschef in Italien wäre, wäre dieser Mann nicht im Amt."

Schily machte deutlich, dass er die Worte Stefanis auch als schädlich für den Tourismus in Italien ansehe. Wenn man sich äußere wie der Staatssekretär, dann müsse man sich darauf einstellen, dass Deutsche andere Ziele für ihren Urlaub wie etwa Dalmatien wählen könnten. Stefani habe die Fremdenverkehrsbranche des eigenen Landes "auf üble Weise kompromittiert".

Schily selbst, der seit Jahren in einem eigenen Haus in der Toskana Urlaub macht, will seinen Urlaub in Italien aber nicht absagen. Regierungssprecher Anda wollte die Äußerungen Schilys nicht kommentieren. "Jeder Minister ist frei zu sagen, was ihn zu diesem Thema bewegt", sagte er auf die Frage, ob der Innenminister die Haltung der Bundesregierung wiedergegeben habe. Er habe "nicht die Absicht, diesen klaren und präzisen Äußerungen etwas hinzuzufügen".

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bezeichnete die Beziehungen zwischen Deutschland und Italien trotz der Turbulenzen als "eng und gut". Auswirkungen auf den Verfassungsprozess innerhalb der Europäischen Union, der bis Ende des Jahres unter italienischer Präsidentschaft abgeschlossen werden soll, sieht die Bundesregierung nicht.

Einladungen aus Bayern

Der Kanzler erhielt zahlreiche Einladungen aus Bayern, dort seine Sommerferien zu verbringen. Zwei wurden von den Chefs der Fraktionen von SPD und CSU im Münchner Landtag, Franz Maget und Alois Glück, ausgesprochen. Der CSU-Abgeordnete Peter Ramsauer lud ihn in den Chiemgau ein. Bereits am Dienstag war Schröder von mehreren norddeutschen Urlaubsregionen eingeladen worden. So hätte er sich drei Wochen lang kostenlos auf Sylt erholen können.

Die Adria-Provinz Pesaro, in der Schröder ursprünglich seinen Urlaub verbringen wollte, kündigte eine Schadenersatzklage gegen Berlusconi an. "Die Dummheit der Leute, die an der Regierungsspitze stehen, ist derart groß, dass sie dem Image unseres Tourismus einen gewaltigen wirtschaftlichen Schaden zufügen", sagte Provinzpräsident Palmiro Ucchielli.

Außenminister Frattini misst der Absage keine politische Bedeutung bei. Er jedenfalls werde weiter nach Deutschland fahren. Berlusconi reagierte auf die Absage mit dem knappen Satz: "Es tut mir leid für ihn."

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