Italien:Opposition bläst zum Sturz auf Prodi

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Eine Personalie setzt die italienische Regierung unter Druck. Dass getreu der italienischen Affären-Tradition jeder jeden verdächtigt, heizt die Debatte zusätzlich an. Für Prodi dürfte es brenzlig werden.

Stefan Ulrich, Rom

Eine gute Karikatur sagt mehr als viele Worte, und eine solche Zeichnung ist am Montag dem Corriere della Sera gelungen: Sie zeigt den italienischen Vize-Finanzminister Vincenzo Visco an einem Marterpfahl. Zu seinen Füßen brennt ein Feuer. Daneben kniet Oppositionsführer Silvio Berlusconi und pustet in die Flammen, damit das Feuer Visco mitsamt der ganzen Regierung von Premier Romano Prodi verschlingt.

"Fiamme Gialle" - gelbe Flammen - heißen in Italien die paramilitärisch organisierten Finanzpolizisten wegen ihrer Abzeichen. Deren Chef, General Roberto Speciale, wurde gerade auf Betreiben Viscos von der Regierung geschasst. Die Opposition spricht von einem "Anschlag auf die Demokratie" und bläst zum Sturz Prodis.

Der General selbst tobt sich in Interviews aus und orakelt: "Ich muss mich schützen, und das werde ich tun." Am Mittwoch berät der Senat über die Angelegenheit - dann dürfte es wieder einmal brenzlig werden für das Kabinett Prodi.

Getreu der italienischen Affären-Tradition geben alle Seiten ihr Bestes, um die Situation verworren zu gestalten. Dies führt dazu, dass jeder jeden verdächtigen kann, und dass es mehrere Wahrheiten gibt. Die erste verkündet die rechte Opposition: Danach wollte Vize-Finanzminister Visco vergangenes Jahr vier Offiziere der Finanzpolizei versetzen lassen, um Korruptionsermittlungen zu stoppen, die auch die größte Regierungspartei der "Linksdemokraten" betreffen.

Da sich General Speciale widersetzte und die Sache publik machte, wurde er nun verjagt. Und das ausgerechnet von der Linken, die so gerne den Saubermann gibt, höhnt die Rechte.

Die Version des Regierungslagers klingt naturgemäß anders. Danach ist General Speciale ein besonderer Freund des Berlusconi-Bündnisses, der gemeinsam mit Kameraden in der Finanzpolizei gegen die neue Regierung Prodi intrigierte. Seinen Chef Visco habe der General nie akzeptiert, heißt es. Das Verhältnis der beiden sei zerrüttet. Folgerichtig müsse Speciale nun gehen. Prodi aber habe nun sogar, zum Zeichen der Ausgewogenheit, seinem hoch geachteten Vize-Minister Visco die Hoheit über die Finanzpolizei entzogen. Damit sei die Sache doch erledigt.

"Unkontrolliertes Spionage-Netzwerk"

Die dritte Variante stammt von der ernsthaften linksliberalen Tageszeitung La Repubblica und wird auch von anderen linken Medien kolportiert und mit etlichen kaum aufgeklärten Spionage-Affären der vergangenen Jahre belegt. In Italien wirke ein "Monster", schreibt die Repubblica, ein "unterirdisches, verantwortungsloses und unkontrolliertes Spionage-Netzwerk".

Diese "okkulte Macht" wurzle in den Geheimdiensten, der Finanzpolizei, Detekteien und Unternehmen wie der italienischen Telekom. Sie sammle Unmengen von wahrem und erfundenem Belastungsmaterial, um damit Politiker zu erpressen und die Geschicke Italiens zu steuern. Die Dunkelmänner hätten sich zwar während der Regierungsjahre Berlusconis prächtig entwickelt. Sie dienten aber nicht der Rechten, sondern nur sich selbst. General Speciale sei "nur einer der Akteure, und nicht einmal der bedeutendste". Die regierende Linke habe die Augen vor dieser Gefahr verschlossen.

An der Regierung Prodi liegt es nun, diese Woche im Senat für Klarheit zu sorgen und alle ihr bekannten Fakten vorzutragen. Tut sie das nicht, so drängt sich eine andere Karikatur auf: Sie zeigt einen verwirrten italienischen Bürger in einem Flammenmeer - dem Fegefeuer der Verdächtigungen.

© SZ vom 05.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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