Italien:Gerührt und geschüttelt

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Mit Blumen und Tränen - Rom feierte die Heimkehr der beiden freigelassenen Simonas.

Von Birgit Schönau

Das Kolosseum in grünem Licht. Eine Idee des Bürgermeisters war das, vor ein paar Jahren. Jedesmal, wenn irgendwo auf der Welt ein Todesurteil ausgesetzt, ein Verurteilter begnadigt würde, solle die uralte römische Arena in der Farbe der Hoffnung schimmern. Ausgerechnet das Kolosseum, dieses Monument barbarischer Gnadenlosigkeit.

In der Nacht zum Mittwoch leuchtete es für die beiden Simonas. Und Rom feierte. Simona Pari und Simona Torretta, die beiden 29-jährigen Aufbauhelferinnen der Nichtregierungsorganisation "Un ponte per..." ("Eine Brücke für") waren kurz nach 23 Uhr auf dem Flughafen Ciampino von einer Delegation empfangen worden, zu der Ministerpräsident Silvio Berlusconi gehörte, aber auch Politiker der Opposition wie der römische Bürgermeister Walter Veltroni.

Da herrschte schon Feststimmung auf den Straßen von Rom. Unter den Büroräumen der Hilfsorganisation an der Piazza Vittorio versammelten sich spontan die Menschen, viele pilgerten auch in die Via Salesiana in einem Neubauviertel am Stadtrand. Dort wohnt die Familie Torretta, deren Adresse seit dem 7. September allgemein bekannt ist. An jenem Tag waren Simona Torretta und Simona Pari aus Rimini von ihrem Arbeitsplatz in Bagdad verschleppt worden, gemeinsam mit zwei irakischen Mitarbeitern.

Die Angst, das qualvolle Warten, das viele in spontaner Solidarität mit den betroffenen Familien geteilt hatten, löste sich endlich. Manche brachten Blumen in die Via Salesiana, wo bald aber auch Rufe laut wurden: "Italien raus aus dem Krieg, der Krieg raus aus Italien."

Tief in der Nacht kamen die beiden Befreiten dann nach Hause. Maurizio Scelli, der Sonderkommissar des italienischen Roten Kreuzes, hatte sie an der Peripherie von Bagdad in Empfang genommen. Tief verschleiert, berichtet der Corriere della Sierra, waren die beiden Frauen, erst als Scelli ihnen zuredete, hoben sie die schwarzen Tücher vor ihren Gesichtern. In den Taschen des Kaftans trug jede eine kleine Schachtel Süßigkeiten von den Entführern. Scelli schickte eine SMS nach Rom: "Sie sind hier bei mir. Alles o.k." Wenig später ging im Kolosseum das Licht an.

Der Befreiung der beiden Geiseln waren, wie jetzt bekannt wurde, intensive Verhandlungen voraus gegangen, an denen außer dem Roten Kreuz und der italienischen Regierung auch die Geheimdienste sowie muslimische Gruppen in Italien und dem Irak beteiligt waren. Die Italiener hatten nach der Entführung der beiden Aufbauhelferinnen auf strengste Diskretion gesetzt. Am vergangenen Donnerstag aber schienen die Bemühungen um Simona Torretta und Simona Pari gescheitert.

Ein Lebenszeichen am Wochenende

Zwei verschiedene, fundamentalistische Organisationen hatten auf ihren Websites die "Hinrichtung" der Italienerinnen verkündet - zum Entsetzen der Unterhändler, die kurz zuvor eine Lösegeldforderung über fünf Millionen US-Dollar kategorisch abgelehnt hatten.

Doch am Wochenende kam ein Lebenszeichen, ein Tonband mit den Stimmen der Verschleppten. Am Anfang der Woche erklärte Jordaniens König Abdullah II. in einem Interview, die beiden Frauen würden nach seinen Informationen noch leben. Jordanien hat sich offenbar ebenso um die Freilassung bemüht wie Kuwait. Am Schluss, so vermuten italienische Zeitungen, sei wohl doch ein Lösegeld gezahlt worden, vermutlich in Höhe von etwa einer Million Dollar. Außenminister Franco Frattini hat das dementiert.

Offenbar handelt es sich bei den Entführern der Helferinnen um sunnitische Fundamentalisten, die mit dem Lösegeld ihren Guerillakrieg finanzieren wollen.

Sie seien respektvoll behandelt worden, haben die Befreiten erzählt. "Unsere Augen waren stets verbunden, damit wir unsere Entführer nicht sehen konnten." Sie waren nie gefesselt, mussten aber öfter das Versteck wechseln. Bagdad haben sie dabei aber nie verlassen. Und wie wird es für die beiden nun weitergehen?

Simona Torretta will bald zurück in den Irak, Schulen aufbauen, so, wie sie es bis jetzt getan hat. "Wenn sie hier bliebe, wäre sie nicht meine Tochter", sagt die Mutter. Und Simona Paris Vater ahnt, "dass es bei uns zu Hause eine lange Diskussion um dieses Thema geben wird". Erst einmal aber wird gefeiert. "Wir gehen in ein feines Restaurant in Rimini", sagt er, "und Simona wird uns einladen. Darauf bestehe ich."

© SZ vom 30.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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